Stolz zieht mein Taxifahrer sein T-Shirt hoch und zeigt auf seine Brust. Drei kleine, säuberlich gezogene Narben zeichnen sich neben dem Brustbein ab. Sie zeugen von einer Zeremonie traditioneller Medizin. Der Glaube an die Heilkräfte der Natur, Voodoo und spirituelle Kräfte spielen in Togo nach wie vor eine große Rolle. Auf dem marché aux fétiches in Lomé bekomme ich einen kleinen Einblick in die traditionelle Medizin.
Ich nehme ein Taxi in den Stadtteil Akodessewa von Lomé. Hinter dem lebhaften Markt von Akodessawa verbirgt sich das kleine, umzäunte, rechteckige Gelände: Über der Toreinfahrt thront das Schild zum ‚marché des fétiches‘. Daneben prangen die Eintrittspreise für Touristen, geführte Tour inbegriffen.
Das Gruselkabinett des marché aux fétiches
Ich öffne die Taxitür und sogleich schreien mir die Händler entgegen. Um die Wette bieten sie mir ihre Waren feil: Köpfe, Haut, Zähne, Knochen, Fell und Haare toter Tiere. Alle auf natürliche Weise gestorben, wie mir der Guide versichert. Der Dunst halb verwester Tiere liegt in der Luft. Dabei der Anblick der aufgereihten Tierkadaver ist sicherlich nicht jedermanns Sache.
Auf den Tischen und Bänken stapeln sich Tierschädel: angefangen bei Mäusen, über Schlangen, Hunde und Alligatoren bis hin zu Büffeln und Pferden. Vorsichtig rollt der Guide Meter um Meter der schuppigen Haut einer Boa auseinander. Er zeigt mir getrocknete Heuschrecken, Schildkröten-Panzer, tote Salamander, lebendige Geckos und die Hörner von Antilopen sowie Haare aus dem Schweif von Pferden.
Heilkraft aus der Natur und Schutz durch Gottes Segen
Jedes Tier bzw. Bestandteil hat seine eigene Heilkraft für unterschiedliche Krankheiten. Zu Tinkturen verarbeitet, träufeln die Schamanen sie zum Beispiel in kleine Schnitte in die Haut der Patienten.
Der marché aux fétiche ist eine Art Apotheke für die traditionelle Medizin und Voodoo-Praktiken. Aber auch touristisches Ziel. So reihen sich von Schamanen gesegnete Amulette aus Knochen, Steinen oder Tierhaaren und aus Holz und Stein gefertigte Talismane, die die unendliche Liebe des Auserkorenen, Glück zu Hause, beruflichen Erfolg oder Schutz auf Reisen versprechen neben touristischen Klim-Bim undreich verzierte Statuen, bemalte Stoffe und kunstvolle Gefäße.
Ebenso wie eine Serie von Voodoo-Figuren, die von dem in Togo sowie im benachbarten Benin verbreiteten Glauben zeugen. In der Opferschüssel deuten zahlreiche eingeäscherten Tierköpfe auf rege Nutzung hin. Denn das Opfern von Tieren hat im Voodoo eine zentrale Bedeutung.
Besuch beim Schamanen in Togo
Zum Abschluss meines Besuches auf dem marché aux fétiches folge ich dem Guide in die Hütte des Schamanen. Auf einem niedrigen Schemeln hockt der junge Mann in kostbarem, farbenprächtigen Gewand vor einem Tempel, der den Großteil des kleinen Raumes einnimmt. Darüber hängt hinter Glas gerahmt die Urkunde des Schamanen. Sie zertifiziert Thomas als traditionellen Heilpraktiker aus Benin.
Das Ritual beginnt mit der förmlichen Überreichung des eigenen Namens. Den Göttern offenbart, erhalte ich meinen Segen. Dankbar nimmt auch mein Taxifahrer seinen Segen entgegen und bekreuzigt sich erfürchtig. Neben Informationen zur Arbeitsweise des Schamanen, erläutert mir Thomas wie verschiedene Amulette und Glücksbringer wirken und zu verwenden sind. Diese kann ich (natürlich) auch erwerben. Den Preis muss ich mit den Göttern verhandeln, per werfen von Cauri. Diese kleinen Muscheln verwendeten die Einwohner Westafrikas früher als Zahlungsmittel – heute zieren sie Schmuckstücke, traditionelle Gewände oder Dekogegenstände. Je nach dem welche Seite der vier Cauri nach dem Werfen oben liegt, berechnet sich der Preis meines Talismannes. Nachverhandeln ist durch nochmaliges Werfen der Cauri möglich.
Schutz für all meine Reisen
Ich entscheide mich für ein Schutzamulett für Reisen. Und nehme den überteuerten, von den Göttern akzeptierten Preis in Kauf. Wenn ich dafür auf all meinen Reisen geschützt bin, ist es diesen definitiv Wert. Der Talisman ist schließlich gesegnet und ich kann ihn bei jeder Reise wieder verwenden. Ob ich daran glaube? Vielleicht ist es eher eine Hoffnung oder Wunsch, an dem ich mich gerne fest halte.
Mit dem Schutz der Götter in der Tasche und der Visitenkarte des Schamanen in der Hand verlasse ich die kleine Hütte. Mein nächster Besuch ist mit der Karte kostenfrei und mein Schamane freut sich über einen Anruf, in dem ich ihm berichte, wie es mir unter dem Schutz der Götter auf Reisen ergangen ist.
Mein Fazit vom marché aux fétiches in Lomé
Sicherlich ist der marché aux fétiches sehr touristisch. Kommerz mischt sich hier auf fast bizarre Weise mit ehrfürchtigem Glauben und Traditionen. Hinter der Touristen-Show offenbart sich jedoch ein kleiner Einblick in den hier tief verwurzelten Glauben an traditionelle Heilmittel und den Schutz der Götter. Somit ermöglicht der Markt es mir eine Welt zu berühren, in die ich als Tourist ansonsten nicht so ohne weiteres hineinblicken kann. Einen weiteren, ergänzenden Einblick in die Voodoo-Praktiken bekomme ich einige Wochen später beim Besuch von Togoville.
Infos:
3.000 F CFA Eintritt und 2.000 F CFA fürs Fotografieren.
Der Guide ist beim Eintritt für umgerechnet 4,50 Euro inklusive.
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