Etwa 300 Menschen leben heute auf dem Gelände des Court Royal von Tiébélé. Der Name sagt es – von hier aus regierte der König einst seinen Stamm. Seine Nachfahren folgen noch immer traditionellen Bräuchen und Sitten.
Seit dem 16. Jahrhundert leben die Kasena in der Region rund um Pô. Inzwischen hat das moderne Leben seine Spuren hinterlassen und Traditionen der Kasena verschwinden langsam. Im Königshof von Tiébélé sind sie teils noch lebendig. Der Court Royal zeigt beeindruckend die Architektur der Kasena und steht seit 2012 auf der Anwärterliste zum UNESCO-Welterbe.
Wandmalerei im Court Royal von Tiébélé
Bekannt ist Tiébélé für seine mit schwarz-weiss und roten Mustern liebevoll bemalten Häuser des Court Royal. Während die Konstruktion der Hütten Männersache ist, sind es die Frauen, die für die Ästhetik sorgen. So will es die klassische Rollenverteilung.
Heute kümmert sich eine touristische Organisation einmal im Jahr um den frischen Anstrich und den Erhalt des königlichen Gehöfts. Mit Kohle, Kalk und Pflanzenresten erhält die Organisation vergänglichen Zeichen auf traditionelle Art und macht sie gleichzeitig Touristen zugänglich. Die Guides erklären nicht nur die Architektur, sondern vermitteln auch ein Bild vom Leben der Kasena.
„Jedes Motiv hat seine Bedeutung, verbunden mit dem Leben der Kasena“, erklärt unser Guide. Zum Beispiel stehen die Dreiecke für Scherben der Calebassen – zerschlägt eine Frau diese, bringt das Unglück. Die gekreuzten Linien symbolisieren Fischernetze und verweisen auf den Fischfang, mit dem sich die Vorfahren vor der Hungersnot bewahrten.
Die abgebildeten Tiere sind mit Sagen und Geschichten verbunden. Zum Beispiel erinnert ein an die Wand gezeichneter Löwe an eine Legende, die uns unser Guide erzählt. Nach ihr kehrte der König einst mit einem Panther und einem Löwen an seiner Seite aus dem Wald zurück. Fortan lebten die Wildkatzen friedlich im Dorf und gewährten Schutz für den König wie für die Einwohner.
Architektur der Kasena
Die Häuser bestehen aus einem Lehmgemisch mit Pflanzenresten und Kuhmist. Auch diese Bauweise ist im Court Royal über Jahrhunderte bewahrt.
Im Dorf gibt es drei Gebäudetypen – in den runden Hütten leben einzig Singles, in den rechteckigen Paare. Und in den aus zwei Teilen bestehenden, wie eine acht geformten Häusern leben die Großeltern mit den Kindern. Die Enkel wachsen mit Oma und Opa unter einem Dach gemeinsam auf. Diese sind maßgeblich für die Erziehung verantwortlich.
Gross und Klein, Alt und Jung schlafen auf den großen Terrassen auf dem Dach, die die Gebäude miteinander verbinden. Neben dem Getreide, das hier trocknet. „Die Atmosphäre gleicht nachts einem großem Markt, bis das Gemurmel gegen 22 Uhr verstummt“, berichtet unser Guide.
Nachdem ich durch die kleine Tür in das Innere einer Hütte gekrochen bin und sich meine Augen langsam an den dunklen Raum gewöhnen, bin ich angenehm überrascht: Möbel sind in den Lehm abgerundet eingelassen, teilweise mit Mustern verziert – ein erhöhter Sockel als Liege, eine Arbeitsfläche in der Küche mit dem traditionellen Mühlstein. Von der Decke baumeln Calebassen. Alles wirkt harmonisch. Und es ist angenehm kühl.
Trotz der ganz anderen Gestaltung, erinnern mich die Häuser des Court Royal von Tiébélé ein wenig an die Tatas der Koutammakou in Togo. Auch hier werden traditionelle Bau- und Lebensweisen im Kulturdenkmal bewahrt.
Die Hüter der Tradition
Während unserer Reise durch den Norden Burkina-Fasos sind wir oft an Gruppierungen dieser typischen runden und eckigen Hütten, mit Mauern zu Höfen verbunden, vorbei gefahren. Nur mischten sich dort häufig moderne Gebäude aus Zementziegeln in das traditionelle Ensemble.
Keine Chance im Court Royal – moderne Bauten sind verboten. Doch nicht nur die traditionelle Bauweise wird hier streng behütet. Normen, Sitten, Zeremonien, Glauben und Bräuche der Kasena leben im Court Royal weiter. So zum Beispiel der Brauch, nach einer Geburt die Platzenta auf dem heiligen Hügel vor dem Eingang des Court Royal zu begraben. Oder der Glaube an die Geister der Ahnen in den Steinen vor dem Gehöft, die daher nicht betreten werden dürfen.
Vom Dach schaue ich auf den Strommasten vor dem Ort und denke, dass es nicht mehr lange dauert, bis das Dorf vom Strom profitieren kann. Aber nein, die Dorfgemeinschaft hat sich bewusst gegen den Anschluss an die Elektrizität entschieden. Aus Angst mit dem Einzug des Fernsehens, könnten Kinder und Jugendliche Abstand von der traditionellen Lebensweise nehmen.
Im Court Royal scheint die Zeit still zu stehen.
Wer Wert auf die Annehmlichkeiten eines modernen Lebens legt, ist ohnehin bereits in die umliegenden Viertel umgezogen. Doch zu wichtigen Ereignissen im Leben, wie Hochzeiten oder nach Geburten, kehren die ehemaligen Bewohner gerne zeitweise zurück.
Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe von Burkina Faso
Ein wirklich beeindruckendes Kulturdenkmal! Ich drücke die Daumen, dass es mit der Aufnahme in der Liste der UNESCO klappt.
Die ersten Schritten sind getan und die UNESCO-Komission hat das angehende Welterbe bereits mehrmals in Augenschein genommen. Nicht ohne Anforderungen zu Infrastruktur, Zugänglichkeit etc. zu hinterlassen. Ein langer Weg zur Ernennung steht noch an, doch derzeit liegen die Bemühungen aufgrund der Terroranschläge im Land auf Eis.
Bislang steht nur ein Kulturdenkmal in Burkina-Faso auf der UNESCO-Liste: Ruinen von Loropéni
Infos zum Besuch von Tiébélé:
Eintritt: 2.000 FCFA pro Person + 5.000 FCFA pro Gruppe für die Führung der offiziellen Organisation ADT, gegenüber des Court Royal (kein Zutritt ohne Führung möglich)
Campements / kleine Herbergen im Ort, u.a. mit Möglichkeit in Rundhäusern zu übernachten oder auf den Dächern unterm Sternenhimmel zu schlafen. Z.B. Village d’accueil Jean Viars direkt gegenüber des Eingangs zum Court Royal.
Anreise:
- von Ouagadougou über Pô: bis Pô sehr gute Teerstraße (ca. 2 Stunden), weiter von Pô nach Tiébélé über gute Piste (ca. 45 min.).
- Von Zabré kommend: Piste teils in schlechtem Zustand (ca. 1 Stunde)
Weitere Infos über Tiébélé unter http://www.tiebele.de
kati
21. Dezember 2018spannender einblick! bitte mehr davon!