Ich habe sie gefunden – die „eierlegende Wollmilchsau“. Bei meinem Besuch in Abomey in Benin. Dabei bin ich ihr auch in Togo schon tausendfach über den Weg gelaufen. Sie hat sich nur gut getarnt: Als gewöhnliche Ölpalme.
Im Süden Benins und Togos sind Palmenhaine aus der Landschaft nicht wegzudenken. Alle Bestandteile der Pflanze sind nutzbar – von den immergrünen Blättern bis hin zu den bereits abgestorbenen Resten. Die Produkte sind vielfältig: essbar, trinkbar, zur Hautpflege, zum Hausbau und zum Transport geeignet.
Besser als jede „eierlegende Wollmichsau“.
Palmöl – rot, weiß oder schwarz?
Die Marktstände, die die Straße auf unserem Weg nach Abomey säumen, quellen über von hunderten Plastikflaschen mit einer roten Flüssigkeit. Palmöl.
Das rote Öl ist wichtige Zutat für viele Soßen, die hier in Westafrika zu jeder Pate und zu jedem Foufou-Essen gehören. In einer kleinen Palmöl-Raffinerie nahe Abomey erfahren wir, wie die Beniner dieses Öl aus der Pflanze gewinnen – ohne technische Hilfsmittel und mit viel Mannskraft und Frauenpower.
Beim Eintreten in den Hof des Lehmgebäudes tritt uns heißer Dampf entgegen. Auf dem offenen Feuer stehen große, schwarz verkohlte Tonnen. Hier beginnt der Prozess: Die Direktorin des kleinen Unternehmens kippt die von den Reben abgetrennten, roten Früchte in das kochende Wasser.
Danach beginnt die Arbeit ihrer Angestellten, vor allem Männer: Mit den Füßen stampfen sie in der ersten Wanne so lange auf den Früchten, bis das Fruchtfleisch aufplatzt und zerfasert. Das Öl tritt aus. Weiter geht es in die zweite Wanne zur Feinarbeit der Frauen und Kinder: Die Tochter der Inhaberin steht gerade knietief im gelb-orangenem Wasser. Sie trennt Pflanzenreste, Kerne und die auf dem Wasser schwimmende Ölschicht voneinander. Erneut aufgekocht, verdampft das noch enthaltene Wasser und das reine rote Öl verbleibt.
Aber auch die übrigen, fein säuberlich getrennten Bestandteile sind nutzbar. Mit den Pflanzenresten, in Haufen an den Häuserwänden getrocknet, feuern die Bewohner ihre Öfen an. Sie sehen aus wie kleine Misthaufen – schon häufig habe ich sie auf den Märkten gesehen.
Aus den schwarzen Kernen gewinnen die Beniner das weiße Öl – getrocknet, aufgeschlagen, gemahlen und anschließend das Öl heraus gepresst. Es wird in der Küche verwendet. Eine Besonderheit für die Gegend um Abomey ist das schwarze Öl, das vor allem der Haut- und Babypflege dient. Hierzu erhitzen die Frauen die schwarzen Kerne bis Öl austritt.
Wein oder hochprozentiger Schnaps?
Auch der hochprozentige Sodabi, ist ein Produkt der Ölpalme. Und ein Nationalgetränk in Togo und Benin.
Ein letztes Mal kommen hierfür die bereits toten, gefallenen Palmen zum Einsatz. Im Hohlraum im Stamm sammelt sich das Palmwasser. Durch ein kleines Loch tröpfelt es in darunter gestellte blaue und gelbe Kanister. Ich entdecke sie häufig in Kpalimé auf den Feldern. Gerade liegen drei tote Palmen zum „austropfen“ vor dem Hof meines Nachbarn.
Durch Fermentieren in großen Tonnen entsteht zunächst nach etwa ein bis zwei Wochen ein Palmwein, der dann in den selbstgebauten Destillieren zum hochprozentigen Schnaps gebrannt wird. Das Prinzip ist einfach: Aufgekocht verdampft der Alkohol, kondensiert und fließt in einem Schlauch spiralförmig durch mehrere Wasserwannen zum Abkühlen. Heraus kommt der frische Sodabi, der mir scharf in der Kehle brennt.
Vor, während und nach dem Essen trinken ihn die Togolesen zur Verdauung. Oder generell bei Magenbeschwerden. Häufig sind Kräuter in dem Schnaps eingelegt, für verschiedenste medizinische Zwecke: Zum Beispiel reinigen die Wurzeln der Mangroven das Blut und wirken nebenbei noch als Aphrodisiakum.
Und dann wären da noch Matten, Dächer, Körbe,…
Auch die anderen Bestandteile der Ölpalme sind nicht unnütz: Palmblätter decken Überstände und Dächer einfacher Hütten. Aus den Blattteilen entstehen geflochtene Körbe und Matten. Der Stamm dient als Pfeiler für Hütten oder als Dachpfosten.
Ganz nebenbei spenden die Palmen noch Schatten für andere Kulturen darunter und auch leckere Pilze gedeihen wunderbar an ihrem Stamm.
Alles in allem eine sehr produktive Pflanze für das Leben in Westafrika. Kein Wunder, dass sie aus dem Landschaftsbild nicht wegzudenken ist. Und ihre Produkte nicht von den Märkten.
Infos zur geführten Tour in den ländlichen Raum von Abomey:
Wir haben die Produktion von Palmöl und Sodabi im Rahmen einer gebuchten Tour in den ländlichen Raum von Abomey aus kennen gelernt. Die Tourist-Information von Abomey hat darüber hinaus auch andere, interessante Touren im Programm. Zum Beispiel zu den Königspalästen in Abomey oder eine Architekturroute – die ich mir vielleicht bei einem nächsten Besuch vornehme. Auf Wunsch kannst du die Touren auch individuell miteinander kombinieren.
Kosten: je nach Gruppengröße ca. 3.000 – 6.000 Franc CFA pro Person
Abomey ist Zwischenstopp auf unserer Kurzreise durch Benins Süden: Ouidah – Ganvié – Abomey – Grand Popo
Nicole
30. April 2018Hallo Britta,
Ich wusste zwar, dass man viel aus der Ölpalme machen kann aber dass man gleich so viele verschiedene Ölarten gewinnen kann wusste ich nicht. Ich kenne sie vor allem aus Malaysia wo man 100te km mit dem Auto fahren kann und nix anderes sieht als Palmölplantagen. Für die Menschen eine wichtige Einnahmequelle aber für die Natur und ihre tierischen Bewohner leider eher traurig, da immer mehr der tropischen Wälder abgeholzt werden und die Tiere dadurch ihren Lebensraum verlieren. Eine Wollmilchsau die ihre Eier leider nur für die Menschen legt.
Liebe Grüße,
Nicole
Britta
30. April 2018Hallo Nicole,
ich wusste gar nicht, dass es in Malaysia so viele Palmölplantagen gibt! Danke für die Info. Zum Glück ist es hier in Togo/Benin nicht so extrem. Es sind vor allem die Familien der Dörfer, die in kleinem Rahmen Ölpalmen in Mischwirtschaft pflanzen, also keine kilometerweiten Monokulturen. Die Herstellung ist reinste Handarbeit und erfolgt häufig einfach in großen Wannen im Hof der Familie.
Liebe Grüße
Britta