Denkst du bei ‚Shopping’ auch sofort an blitzende Einkaufsmeilen und Kaufhäuser, kleine Boutiquen mit liebevollen Details und fein säuberlich arrangierte Klamotten? Dann kann ich meine Tour durch Atakpame wahrlich nicht als Shopping-Tour bezeichnen.
Aber was macht eine Shopping-Tour aus? Durch eine Stadt bummeln, sich von Angebot zu Angebot treiben lassen. Trends entdecken. Schauen. Stöbern. Anprobieren. Sich beraten und hinreißen lassen, doch mehr zu kaufen, als man eigentlich wollte…
Dann kann ich meine Tour durch Atakpame sehr wohl Shopping-Tour nennen. Eben auf togolesische Art.
Wochenend-Trip nach Atakpame
Feierabend. Auf ins Wochenende, zum Kurztrip nach Atakpame. Fix rollen wir über die frisch geteerte Straße. Treu begleiten uns auf der linken Seite die grünen Berge des Plateaus. Nach knapp zwei Stunden schieben wir uns den letzten Anstieg hinauf und rollen direkt in den Trubel des Marktes.
Vom Hotel aus haben wir einen guten Blick über die Stadt. Zwischen sieben Hügeln schmiegt sich Atakpamé in die bewaldete Landschaft. Die Ansiedlung ist mit etwa 90.000 Einwohnern etwas größer als Kpalimé und Hauptstadt der Plateau-Region.
Von Bissap-Saft…
Wie in Togo üblich, beginnen wir unsere Einkäufe am nächsten Tag auf dem Markt. Wir bummeln an kleinen Marktständen, vollbeladen mit Obst und Gemüse, vorbei und tasten uns in die Markthalle des Grand Marché vor.
Große Körbe mit dunkelroten, getrockneten Blüten ziehen mich an. Ich greife mir eine Handvoll und rieche daran. Der intensive Geruch kommt mir bekannt vor, aber ich kann ihn nicht richtig zuordnen.
Aus den getrockneten Blüten wird Bissap-Saft hergestellt, erklärt mein togoischer Freund. Ahhh, jetzt dämmert es mir – schon häufig habe ich diesen Saft in Hotels getrunken. Das Aroma ist herrlich, nur für meinen Geschmack viel zu süß. Aber, warum nicht selbst zubereiten und auf etwas Zucker verzichten?
Zu einem Berg getrockneter Blüten und einer Flasche Erdbeeraroma, bekommen wir von der Marktdame auch gleich das Rezept dazu verraten: Mit Zitronengras (das habe ich in meinem Garten angepflanzt, weil ich es gerne mit Ananas zum Tee aufbrühe) in heißem Wasser aufkochen. Nach dem Abkühlen sieben und wenige Tropfen des Aromas und reichlich Zucker (da werde ich anders dosieren) unterrühren. Klingt einfach. Ist es auch. Und super lecker!
… bis Fonio-Porridge
Weiter schlendern wir auf dem Markt von Atakpame vorbei an hunderten Schüsseln mit fein säuberlich aufgehäuftem Getreide, Reis, weißen wie roten Bohnen und Salz in großen Wannen. Vor einer mir unbekannten, dunklen Getreideart bleibe ich stehen. Ich hoffe auf irgendein Korn, um dunkles Brot zu backen – das labbrige Weißbrot hier habe ich langsam satt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Es handelt sich um Fonio, eine in Westafrika heimische Hirsesorte. Die anspruchslose Pflanze reift auch an Standorten, an denen kein anderes Getreide mehr wächst. Auf jeden Fall eine leckere Alternative zu Couscous oder Reis. Und Fonio eignet sich auch super als Porridge zum Frühstück! Also gleich eine ‚mittlere Schüssel voll‘ gekauft und ausprobiert. Eine Waage gibt es hier nicht. Gekauft und gehandelt wird schüsselweise und so lange aufgehäuft bis kein Korn mehr runter kullert.
Upcycling aus alten LKW-Reifen
Den Markt von Atkatpame lassen wir nun hinter uns und biegen in die Gasse der Handwerker ab.
Vor einem kleinen Verschlag türmen sich riesige, alte LKW-Reifen. Ich hätte die Bude nicht weiter beachtet, aber mein Freund ruft etwas in der Lokalsprache Ewé hinein. Kurz darauf sitzen wir auf der kleinen Bank und schauen dem Togo-Nigerianer bei seiner Arbeit zu.
Mit routinierten, schnellen Handgriffen teilt er das dicke Gummi der LKW-Reifen in dünne Lagen und schneidet es mit Messer und Schere in schmale Streifen. Sein Sohn legt uns Gummisohlen vor die Füße – zum Anprobieren, oder besser gesagt ‚Fuß-drauf-stellen‘. Wo es nicht passt, schneidet er schnell noch ein paar Millimeter ab.
In einer viertel Stunde entstehen unter den flinken Händen des Handwerkers mit Hilfe von Messer, Hammer und Nägeln Sandalen. In den unterschiedlichsten Modellen.
Während wir auf unsere Schuhe warten, beobachte ich das rege Treiben in der Gasse. Gegenüber sitzt ein Mann auf der Straße zwischen einem Berg von Wasserbehältern, die er aus Gummilappen zusammennäht.
Ich liebe es, so das Alltagsleben zu beobachten. Ich kann mich nicht satt sehen an den bunten Farben und Mustern der Kleider der Frauen, die routiniert einfach alles auf dem Kopf tragen – von der Handtasche bis zu bedenklich schwankenden Stapeln aus Schüsseln und kiloschweren Säcken. An den lachenden und winkenden Kindern, die mit Murmeln und Reifen auf den Sandpisten spielen. An den heillos überladenen Motos und Taxen, die laut hupend auf der Suche nach noch mehr Kundschaft durch die Straßen kurven…
Nebenbei erzählt uns der Togo-Nigerianer seine Geschäftsidee, mit der er auf eine Marktlücke in Atakpame gestoßen zu sein scheint. Seine Schuhe liegen im Trend und seine Kundschaft füllt nach und nach den kleinen Holzverschlag. Interessiert schauen ihm Kinder bei der Arbeit über die Schulter. Frauen bringen winzige Kinder-Flip-Flops zur Reparatur, Männer lassen sich Sandalen anpassen.
Im Handumdrehen entstehen meine neuen maßgeschneiderten Sandalen
Und schneller als gedacht, sind auch meine Sandalen fertig. Da ich kein Modell vor Augen hatte, stehen nun zwei grundverschiedene Varianten zur Auswahl vor mir. Ich probiere an und lasse an der ein oder anderen Stelle noch einmal die Riemen justieren. Schmunzelnt ritzt der Handwerker auf meinen Wunsch noch ein kleines Herz in die Sohle.
Jetzt habe ich die Qual der Wahl: Während ich zur schlichten Sandale tendiere, empfehlen mir alle Umstehenden das aufwendiger mit kunstvoller Blume versehende Modell. Und weil umgerechnet 2,50 Euro nun wirklich nicht zu viel sind, und ich mich frage was wohl mit den maßgeschneiderten Sandalen passiert, die ich nicht kaufe – werden sie einen anderen Besitzer finden? – nehme ich gleich beide Paare.
Mit zwei paar neuen Schuhen in der Tasche geht es also weiter.
Zwischen scharfen Messern und toten Tieren
Auf einem Stand legt ein Junge gerade neue Ware aus. Aus einem großen Sack zieht er nach und nach tote, getrocknete Tiere, Schädel, Haut und Tierhaare hervor. Ich kann nicht alles zuordnen, aber Eidechsen und Schlangen sind auf jeden Fall dabei und auch einige Schädel von kleineren Säugetieren. Zur traditionellen Heilung, oder zum ‚Grigri‘ wie mir mein Begleiter kommentiert. Auf dem Fétishe-Markt in Lomé habe ich noch mehr davon gesehen.
Unser nächstes Ziel ist die Schmiede von Atakpame. Am Straßenrand aufgereiht stehen die Produkte: Schaufeln, Messer, Glocken…
Heute am Samstag glühen die Feuer leider nicht. Lediglich am Schleifstein sprühen Funken beim Schärfen eines Messers. Daneben bestückt ein Junge fleißig Macheten mit neuen Griffen aus Gummi. Routiniert schlägt er Nägel ein und wetzt mit dem Messer überstehendes Gummi ab.
Feiern in der Stadt-Disco von Atakpame
Nach einem Abendessen über den Lichtern der Stadt im Roc-Hotel und einem kleinen Nickerchen lassen wir den Abend in der einzigen Disco von Atakpame ausklingen. Natürlich bei typisch togolesischer Musik. Nur mit Mühe ergattern wir ein Plätzchen zwischen den tanzwütigen Togoern, die ihre Hüften rhythmisch kreisen und die einstudierten Schwünge vor dem Spiegel zur Schau stellen.
Bei einem Bier lasse ich meine etwas andere Shopping-Tour noch einmal Revue passieren:
- Von Angebot zu Angebot treiben lassen – abgehakt
- Trends entdecken – abgehakt
- Beraten lassen – abgehakt
- Schauen, stöbern, anprobieren – abgehakt
- Hinreißen lassen, mehr zu kaufen als ich eigentlich wollte – abgehakt
Also, alles in allem eine echte Shopping-Tour. Eben auf west-afrikanische Art.
Und trotzdem habe ich keine Unsummen ausgegeben. Dafür viele interessante Dinge erfahren und das gute Gefühl, die heimische Wirtschaft und ansässige Handwerker zu unterstützen.
Infos zu Atakpamé:
Fahrzeit nach Kpalimé ca. 1,5 Stunden auf guter Teerstraße
Hoteltipps:
- Roc-Hotel mit genialer Aussicht. Lass dir das Frühstück oder Essen unbedingt auf der Terrasse servieren.
- Hotel Luxembourg: Bunte Farben, relativ neu. Lass dir die Zimmer zeigen und wähle zwischen den einfachen Räumen oder der teureren, großzügigen Suite.
Karte mit meinen Orten in Atakpame:
Stefanie Zimmermann
8. Juni 2018Liebe Britta!
Eine tolle Shopping Tour! Klingt nach einem aufregenden Tag!
Und natürlich super, dass Du einen Freund dabei hattest!
Übrigens hast Du „abgehackt“ anstatt „abgehakt“ geschrieben am Ende, dass klingt dann doch ein bisschen brachialer als es gedacht war, oder?
Toller Blog und tolle Tips!
Vielen Dank,
Stefanie
Britta
8. Juni 2018Liebe Stefanie, vielen Dank für den Hinweis! Gleich mal korrigiert. Britta