Das Meeresrauschen im Ohr beuge ich mich über mein Smartphone. 6 Stunden 48 Minuten für 326 Kilometer zeigt der Routenplaner. Von Cap Skirring ganz im Süden des Senegals nach Kaolack, nahezu zentral im Lande.
Klingt gar nicht so schlimm, denke ich und lehne mich zurück. Mein Blick schweift unter den Palmen hindurch, streift den weißen Sand und verliert sich über dem Atlantik. Weiße Schaumkronen kullern rhythmisch an den Strand.
Aufbruch im Paradies
Noch einmal schaue ich auf die App. 326 Kilometer – etwa so weit wie von Hamburg nach Dortmund. Die Strecke bin ich neulich im ICE gefahren, in weniger als drei Stunden. Im Auto sind es vielleicht vier. Ein Katzensprung in Deutschland. Nicht aber hier im Senegal.
Im Senegal führt die einzige Zugstrecke von Dakar nach Thiés. Autobahnen gibt es im ganzen Land zwei, auch diese nur im Norden des Senegals. Stattdessen erwarten uns staubige und mit Schlaglöchern übersäte Pisten, verbeulte Buschtaxen als öffentlicher Verkehr und die Durchquerung Gambias. Vor diesem Hintergrund scheinen mir die vom Routenplaner kalkulierten knapp sieben Stunden deutlich zu wenig.
Die letzten Tage haben wir in dem kleinen Paradies an der Küste bei Cap Skirring verbracht. Im äußersten Süden des Senegals. Für mich der schönste Strand im Senegal. Wir haben die Seele baumeln lassen, sind den Strand entlang spaziert, sahen die Sonne glutrot im Meer versinken und relaxten in der Hängematte oder auf den Liegen am Strand.
Doch jetzt zieht es uns weiter. Wir wollen zurück in den Norden und noch mehr vom Senegal sehen. Unsere ursprüngliche Idee unterwegs eine Woche durch Gambia zu reisen haben wir aufgegeben. Zu langsam das Vorankommen im Buschtaxi, zu kurz unser dreiwöchiger Urlaub.
Unser nächstes Ziel ist nun das Sine Saloum Delta, ein Naturparadies zwischen verzweigten Flussarmen und Meer. Ein Highlight im Senegal. Verkehrsknotenpunkt zur Anreise dorthin ist Kaolack. Die 200.000 Einwohner zählende Stadt peilen wir als Zwischenstopp an und sehen dann weiter. Das Hindernis auf dem Weg nach Kaolack ist der schmale Staat Gambia. Gambia misst gerad einmal 45 Kilometer in der Breite, doch das Land schneidet sich 375 Kilometer tief in den Senegal ein.
Reiseplanung à l‘africain
Wir gehen noch einmal unsere Möglichkeiten durch. Tanja, Ende 50 und schon mehrmals im Buschtaxi durch den Senegal und viele weitere Ländern West- und Ostafrikas gereist, steht uns beratend zur Seite. Sie kommt gerade aus Mauretanien und verbringt noch einige Tage in unserer abgeschiedenen Lodge bevor sie nach München zurück fliegt. Daneben schaut uns Roy über die Schulter. Er gehört zur Diola-Familie, der die kleine Unterkunft gehört. Von ihm erhoffen wir uns Insider-Wissen.
Unsere Reisemöglichkeiten
- Die Fährfahrt von Dakar in den Süden Senegals wählten wir auf der Hinfahrt und sie ist für uns damit gleich ausgeschlossen. Wir wollen noch etwas anderes sehen.
- Der Inlandsflug von Cap Skirring nach Dakar ist verlockend. Gar nicht so teuer und in weniger als einer Stunde wären wir am internationalen Flughafen von Dakar. Aber dann müssten wir wieder zurück die Küste hinunter zum Sine Saloum Delta. Und wir würden das Binnenland verpassen. Also ausgeschieden.
- Auf dem Landweg könnten wir außen um Gambia herum. Der Weg würde sich auf dieser Strecke auf 753 Kilometer erhöhen. Dafür kämen wir am Nationalpark Niokolo-Koba vorbei, ein spannendes Ziel für eine Safari. Doch mein Reiseführer schreibt der Park sei Anfang November noch geschlossen. Im Internet finden sich keine anderweitigen Informationen. Der lange Weg, um vor verschlossener Tür zu stehen? Nein danke.
- Der Weg über Serekunda und Banjul, die Hauptstadt Gambias, ist gut ausgebaut und wirkt am kürzesten. Ist er mit 340 Kilometern aber tatsächlich nicht. Mit den Ballungszentren des Landes spannend, aber wir werden aufgrund des Verkehrs dort nur langsam vorankommen. Und die Fährfahrt über den Gambia-Fluss an der Stelle sei hektisch und nervenaufreibend, meint Tanja.
- Also lieber der direkte Weg über die Transgambienne mit Querung Gambias an seiner schmalsten Stelle zwischen Digante und Farafenni. Tanja erzählt, sie musste damals das Buschtaxi an der Fähre und Grenze wechseln. Etwas umständlich. Doch Roy versichert uns, es gäbe inzwischen Buschtaxen, die von Ziguinchor durchfahren. Er habe die Strecke auch einmal mit einem DDD-Bus zurück gelegt. Das würde er aber nicht vorschlagen. Zu langsam, da zu oft gehalten wird. Seine Empfehlung ist das Sept-Places.
Also gut, die Strecke steht, das Sept-Places ist unsere Wahl. In den alten Kombis, die bei uns längst ausgemustert wären, ist eine improvisierte zweite Rückbank eingebaut. So können sieben Fahrgäste im Buschtaxi mitfahren – also sieben Plätze (Sept-Places).
Und wie nun konkret?
Von der in meinem Reiseführer erwähnten Brücke über den Gambia-Fluss wissen auch Roy und Tanja nichts. Die Anfang 2019 fertig gestellte Senegambia Bridge verkürzt die Fahrzeit inzwischen deutlich, da nicht mehr mit der Fähre übergesetzt werden muss. Doch wie lange dauert die Fahrt nun tatsächlich? Wo bekommen wir ein Ticket und was kostet es? Fahren die Buschtaxen auch regelmäßig am Sonntag? Und von wo überhaupt?
Fragen über Fragen. Roy greift zugleich zum Telefon und erkundigt sich bei einem Freund. „Am besten in Ziguinchor früh starten, dann fahren die meisten Buschtaxen ab und es ist noch nicht so heiß im Auto“ wiederholt er für uns. Ankunft in Kaolack sechs bis sieben Stunden später. Inshallah – so Gott will.
Wir möchten in Ziguinchor noch eine Zwischenübernachtung einschieben, sonst wird das nichts mit der frühen Abfahrt. Immerhin brauchen wir von unserem Hotel bei Cap Skirring bis zur Hauptstadt der Casamance etwa zwei Stunden. In Ziguinchor legte auf der Hinreise unsere Fähre an, wir reisten jedoch gleich weiter. Ein zweiter Blick lohnt sich, so Tanja.
Damit steht der Plan. In Europa ist die Reiseplanung mit ein paar Klicks im Internet erledig, das Ticket gebucht und die Fahrzeiten stehen relativ sicher. Hier im Senegal müssen wir flexibler reisen und vor Ort sehen was möglich ist.
Etappe 1: Von Cap Skirring nach Ziguinchor
Im Geländewagen von Roy verlassen wir unsere Lodge Le Kibalaou* über den Strand – der einzige Weg zur Unterkunft. Dort, wo wieder normale Autos fahren können, erwartet uns bereits ein Taxi und bringt uns zum Gare Routière von Cap Skirring. Hier starten alle Buschtaxen nach Ziguinchor.
Unser Buschtaxi
Schon bald sitzen wir auf der improvisierten Rückbank eines Wagens. Unsere Plätze befinden sich halb im Kofferraum. Wir sitzen leicht erhöht, unsere Beine angezogen. Während die Rückenlehne mit flauschigem Fell bezogen ist, bedecken Plastikplanen die Sitze. Wir haben uns zu zweit die eigentlich drei Plätze der Rückbank „gekauft“, um etwas mehr Platz zu haben. Eine gute Entscheidung!
Für unser Buschtaxi wäre der Spruch „Das Auto hat bessere Tage gesehen“ maßlos untertrieben. Die Innenverkleidung ist größtenteils herausgerissen, das Radio baumelt an losen Kabeln, die Türen lassen sich nur mit einem besonderen Kniff vom Fahrer persönlich öffnen und die hinteren Fenster sind nur etwa handbreit herunterzulassen. Die gesamte Karosserie ist mit Beulen und Rost überzogen.
Unsere Rucksäcke landen hinter uns, anderes Gepäck auf dem Dach des Wagens. Auf unser Drängen bindet der Fahrer vor Abfahrt noch schnell eine lose Schnur um den halb offen stehenden Kofferraum. Naja, zumindest sitzen wir direkt dahinter und merken es hoffentlich wenn das Gepäck herausfällt.
Inzwischen ist es bald Mittag. Die Luft drückt und das Auto hat sich in der prallen Sonne aufgeheizt. Mit röhrendem Motor fahren wir ab. Die Gänge drückt der Fahrer mit Nachdruck rein. Die Stoßdämpfer haben ihren Geist aufgegeben und wir spüren jeden Huckel in der Straße.
Durch die Kornkammer des Senegals
Doch bevor wir richtig in Fahrt kommen, halten wir schon wieder. Ein Passagier steigt aus, um sich noch mit Snacks einzudecken. Wieder im Auto winkt der nächste Mitfahrer einem Freund am Straßenrand zu. So stoppen wir erneut, damit die beiden einen kleinen Plausch halten können.
Dann, endlich, verlassen wir die Ortschaft und düsen über die Landstraße. Am Fenster zieht die grüne, fruchtbare Casamance vorbei. Saftige Reisefelder überdecken das Land, dazwischen riesige Kapokbäume und Baobas. Verstreut tauchen einfache Dörfer auf. Wir überqueren Flüsse, an deren Ufern Mangroven wuchern. Weiher und Lagunen durchziehen das frische Grün.
Unser Fahrer versucht alles aus seinem Taxi herauszuholen. In einer eisernen Konsequenz überholt er jedes Fahrzeug, das vor uns auf der Straße auftaucht. Teils in halsbrecherischen Manövern, so dass es mir schwerfällt mich auf die Landschaft zu konzentrieren.
Schwitzen an den Militärkontrollen
Nach etwa einer Stunde nähern wir uns Ziguinchor. Die Hitze im Buschtaxi ist mittlerweile fast unerträglich. Ein leichter Luftstrom zieht durch den Fensterspalt. Erreicht uns auf der hinteren Bank jedoch kaum. Der Schweiß läuft mir in kleinen Rinnsalen den Rücken hinunter.
Immer wieder halten wir an Militärkontrollen. Die Sonne brennt unerbittlich und ohne den Fahrtwind drückt die Luft auf mich wie ein Sack Kartoffeln. Ich fächele mir mit einem Flyer etwas Luft zu und frage mich, wie schnell man wohl einen Hitzeschlag bekommen kann.
An der nächsten Kontrolle öffnet der Fahrer den Kofferraum während er den Beamten Papiere zeigt und mit ihnen die Strafgebühr verhandelt. So habe ich wenigstens das Gefühl nicht ersticken zu müssen.
Dankbar lächele ich unserem Fahrer entgegen als er den Kofferraum vor der Weiterfahrt wieder schließt. Sein Gesicht ist eingefallen, die Wangen ausgemergelt. Seine kurzen Haare schimmern grau, ich schätze sein Alter auf weit über 60. Bei uns wäre er sicherlich im Ruhestand. Er tut mir leid. Viel verdient er mit den Fahrten nicht. Sein Buschtaxi ist vielleicht sein einziger Schatz oder er hat ihn geliehen und muss jeden Tag einen Großteil seiner Einnahmen als Mietgebühr an den Besitzer abgeben – so wie es viele Taxifahrer in Westafrika machen.
Rebellen im Grenzgebiet
Als wir weiter fahren kommen uns drei Einsatzwagen voll Militärs entgegen. Am Straßenrand weisen Zelte und weitere Fahrzeuge auf ein Militärlager hin. Die starke Präsenz der Einsatzkräfte in dieser Region ist die Antwort auf separatistische Bewegungen der MFDC, erklärt unser Fahrer. Seit Anfang des Jahres geht das Militär wieder verstärkt gegen die Rebellen vor.
Gehört und gelesen habe ich von den Unabhängigkeitsbestrebungen und der Präsenz der Rebellen in den Grenzregionen von Gambia, Casamance und Guinea-Bissau bereits vor unserer Reise. Laut aktueller Lage seien die touristischen Zentren jedoch sicher. So heißt es.
Auf dem Rest der Fahrt lese ich genauer nach, was es mit der MFDC (Mouvement des forces démocratiques de la Casamance) auf sich hat. Ein lang währender Konflikt. Beruhend auf dem Freiheitswillen der hier ansässigen Diola, die bereits den Portugiesen in der Kolonialzeit die Stirn boten. Auf alten Traditionen, ihrem Glauben und der Kultivierung des Reises gegründet, bilden die Diola eine ganz eigene Ethnie im Senegal.
Im Unabhängigkeitsvertrag habe Frankreich ihnen 1960 eine weitgehende Eigenständigkeit zugestanden. Doch diese Zusage verschwand sang- und klanglos. Die Bewohner der Casamance fühlen sich diskriminiert, wirtschaftlich ausgebeutet und von der Regierung zu wenig gehört. In den 1980er Jahren entbrannte der bewaffnete Aufstand der MFDC, die sich als Sprachrohr der Diola verstehen. Ihr Ziel, die Unabhängigkeit der geographisch abgeschnittenen Casamance vom Senegal.
Die senegalesische Armee ging brutal gegen die Rebellen vor. Nach Gräueltaten auf beiden Seiten liegen seit 2014 die Waffen mehr oder weniger still. Dass der Aufstand nicht versiegt ist, zeigen erneute Zwischenfälle. Unter anderem ein Massaker an 15 Holzfällern im Jahr 2017. Zwischen Schuldzuweisungen auf beiden Lagern kommt eine weitere Komponente des Konflikts zu Tage: Der Kampf um die bedeutende Ressource Tropenholz.
Mehr Infos zu dem Konflikt in der Casamance findest du zum Beispiel in Bildern aufbereitet von der Deutschen Welle oder in diesem aktuellen Bericht in Englisch.
Ankunft in Ziguinchor
Über meine Recherche vertieft, bemerke ich gar nicht die Einfahrt in Ziguinchor. Nach der Ankunft am Gare Routière steige ich verschwitzt und mit Kopfschmerzen aus dem Buschtaxi.
Da wir nur den Nachmittag in der Stadt haben, starten wir nach einer kurzen Pause im Hotel die Erkundungstour. Wir besuchen den Fischerhafen, schlendern durch die Gassen entlang kolonialer Häuser und schauen Kindern beim Fußball spielen zu. Tausende Störche nisten in den Bäumen über unseren Köpfen.
Auf dem kunterbunten Markt von Ziguinchor – für mich einer der schönsten im Senegal – kaufen wir Proviant für den nächsten Reisetag. Danach lassen wir den Abend auf der Terrasse unseres Hotels ausklingen. Früh geht es ins Bett, um am nächsten Tag zeitig die Weiterreise anzutreten. Nach der heutigen anderthalbstündigen Fahrt graut mir schon vor den sechs Stunden am nächsten Tag im Buschtaxi.
Etappe 2: Im Buschtaxi von Ziguinchor nach Kaolack
Bereits um sieben Uhr morgens herrscht Trubel am Gare Routière von Ziguinchor. Während Exonam mit dem Einweiser verhandelt, um ein bereits abfahrbereites Buschtaxi besteigen zu dürfen, bleibe ich bei unserem Gepäck.
Organisiertes Chaos am Gare Routière
Leute wuseln um mich herum. Schieben sich mit ihrem Gepäck durchs Gedränge zu Minibussen und Kombis. Frauen balancieren Schalen mit Bananen auf ihrem Kopf und halten mir Tüten mit Nüssen vor die Nase. An einfachen Wägelchen verkaufen Männer Tee und Nescafé an die Wartenden.
Mir fallen die Kinder auf, die mit roten Blechbüchsen um Geld betteln. Ein Phänomen, das ich aus Togo, Ghana oder der Elfenbeinküste nicht kenne. Wie ich später erfahre, steckt eine traurige, in der senegalesischen Gesellschaft akzeptierte Praxis dahinter: Die Kinder betteln für ihren Marabouth, bei dem sie den Islam lernen, und der ihnen für den Ertrag ihrer täglichen „Arbeit“ Unterschlupf und Essen bereithält.
Langsam erkenne ich die Organisation hinter dem Chaos. Alle Tickets gibt es zu festen Preisen am kleinen Tickethäuschen. Verhandeln ist hier nicht nötig (oder nicht möglich). Ebenfalls sind dort die nächsten Fahrzeuge erfasst, die in strikter Reihenfolge abfahren. Ein Einweiser, mit dem Exonam ins Gespräch vertieft ist, verteilt die Passagiere auf die bereit stehenden Fahrzeuge. Der Fahrer kassiert noch die Gebühr fürs Gepäck ab und fährt ab, sobald das Buschtaxi voll besetzt ist.
Anscheinend hatte Exonam beim Einweiser Erfolg. Aus einem Wagen steigen die zwei Fahrgäste von der hintersten Bank aus und wir dürfen auf der improvisierten Rückbank Platz nehmen. Wieder haben wir uns mit drei Tickets die komplette Bank gesichert – so ist das Buschtaxi jetzt abfahrbereit. Unser Gepäck wird oben auf dem Dach vertäut und es geht los.
Das Fahrzeug macht auf mich einen etwas besseren Eindruck als das von gestern. Noch ist es kühl und die erste Stunde lehne ich mich entspannt zurück. Am Fenster zieht die grüne Landschaft der Casamance vorbei. Durchs Fenster weht ein angenehmer Wind hinein und unser Fahrer fährt im gemächlichen Tempo. Was will man mehr?
Auf der Transgambienne
Dafür, dass der Trans-Gambia Highway eine der wirtschaftlich wichtigsten Fernstraßen zwischen der Casamance und dem Rest Senegals ist, begegnen uns nur wenige Fahrzeuge. Und die Route ist in einem miserablen Zustand.
Je weiter wir uns von Ziguinchor entfernen, desto schlechter wird die Straße. Bald ist sie von Schlaglöchern durchzogen. Leider fährt unser Chauffeur mit gleichem Tempo weiter. Ruckartig reißt er das Lenkrad herum, um größeren Löchern auszuweichen. Über die kleineren brettert das Buschtaxi ruckelnd hinweg.
Jetzt kommt mir die Geschwindigkeit auf einmal viel zu schnell vor. Ich klammere mich am Sitz vor mir fest, um nicht bei jedem abrupten Richtungswechsel hin- und her zu schleudern.
Meine Augen sind auf die Straße fixiert. Bei jedem größeren Loch, dem wir nicht mehr ausweichen können, ziehe ich reflexartig den Kopf ein, um nicht gegen die niedrige Decke zu stoßen. Wenn gerade keine Löcher in Sicht sind, gießen wir uns schnell etwas kühlen Saft aus unsere Thermosflasche ein und mümmeln an den mitgebrachten Keksen. Das gemütliche Frühstück auf der Fahrt hatten wir uns anders vorgestellt.
Ich versuche den Blick auf die Landschaft zu richten: Wir passieren kleine Dörfer mit lebhaften Märkten. Vereinzelt ziehen kleine Siedlungen und Häuser mit einfachen Strohdächern vorbei.
Ab und an halten wir auf Wunsch unserer Mitfahrer an Weggabelungen – sogleich eilen Frauen vom Straßenrand herbei. Hände voll mit Zitronen, gegarten Kartoffeln und in Tüten abgefüllten, selbst gemachten Säften zwängen sich durch die Fenster ins Wageninnere. Winken solange mit ihren Waren vor unseren Nasen bis der Wagen wieder abfährt.
Die obligatorische Panne
Wir sind bereits einige Stunden unterwegs, da wird der Wagen lauter. Der Auspuff röhrt. Er scheint bei der holprigen Fahrt über die Schlaglöcher etwas abbekommen zu haben. In einem kleinen Dorf halten wir am dortigen Gare Routière, damit sich ein Mechaniker den Auspuff des Buschtaxis anschauen kann.
Wir machen es uns im Schatten eines großen Mango-Baums bequem. Auf einem alten Holztisch im sandigen Boden werkelt ein Mann an einem Motor herum. Ein Auto steht aufgebockt ohne Reifen auf Steinen im Staub. Daneben schaufeln Kinder Holzkohle in Blechdosen und kleine Tüten. Ab und an kommt ein Buschtaxi an, kippt Passagiere und Gepäck aus. Lädt neue Passagiere ein und setzt seine Fahrt fort.
Ich überlege gerade, ob es sich lohnt eine Toilette zu suchen, da geht unsere Fahrt weiter. Schneller als befürchtet. Unser Chauffeur sammelt seine sechs Fahrgäste ein: Neben uns ein älterer Mann mit Wollmütze auf dem Kopf, ein Jugendlicher mit Rosenkranz in der Hand und zwei offensichtlich wohlhabendere Frauen in den typisch westafrikanischen bunten Gewändern.
Deutlich leiser nähern wir uns nun Gambia.
Im Buschtaxi quer durch Gambia
Um die Mittagszeit erreichen wir die Grenze zu Gambia. Inzwischen ist es heiß geworden und ich freue mich darüber, das Fahrzeug kurz zu verlassen. In wenigen Minuten bekommen wir unseren Ausreisestempel in den Pass und steigen wieder ein.
Nach einer kurzen Fahrt folgen die Einreiseformalitäten für Gambia. Während die Senegalesen dafür nicht einmal das Auto verlassen, werden wir ins Grenzbüro gelotst. Gegen 5.000 CFA erhalte ich den Einreisestempel – wofür genau diese Gebühr ist bleibt mir unklar?
Durch Gambia ist es nur ein Katzensprung. Die Straße ist deutlich besser, die Landschaft ähnlich üppig grün. Über den Fluss Gambia spannt sich die neue Brücke. Mächtig überdimensioniert. Viel zu steil für den Fluss, tief unter ihr. Aber so können eventuell autauchende Schiffe unter ihr hindurch.
Ein Ruck reißt mich aus den Gedanken. Einen kurzen Moment scheint das Auto in der Luft zu schweben, dann sackt es wieder hinunter, schlägt hart auf und unsere Köpfe donnern gegen die Decke. Im Rückspiegel begegne ich dem Blick unseres jungen Fahrers, der entschuldigend das Gesicht verzieht und die Hände vors Gesicht schlägt. Anscheinend war er genauso in Gedanken wie ich und hat eine Schwelle an der Auffahrt der Brücke übersehen.
Auch bei der Ausreise aus dem Senegal geht es für uns separat ins Hinterstübchen. Wieder zahle ich 5.000 CFA und es gibt den Stempel in den Pass. Auf die Frage warum und wofür erhalten wir nur ein „ist so“ als Antwort. Müde von der Fahrt geben wir uns damit zufrieden. Es folgt die Einreise in den Senegal. Mit Fingerabdrücken und Foto, aber ohne Gebühr.
Weiter nach Kaolack
Damit beginnt die letzte Etappe unserer Buschtaxifahrt nach Kaolack. Die fruchtbare Casamance liegt hinter uns. Die Landschaft wandelt sich in eine dürre Steppe. Obwohl die Regenzeit gerade erst vorbei ist, breiten sich trockene Gräser aus. Darüber erstrecken sich vereinzelt Akazien und widerstandsfähige Baobabs.
Die Zeit zieht sich träge in die Länge. Inzwischen ist es stickig und heiß im Fahrzeug. Ich fächele mir Luft zu. Trotz Müdigkeit will kein Schlaf kommen. Mein Kopf schmerzt. Doch bei einem Blick aufs Handy merke ich, dass wir erstaunlich schnell vorankommen. Kein Wunder, denn die Straßen Senegals auf dieser Seite von Gambia sind deutlich besser im Schuss. Es scheint etwas an der Vernachlässigung der Casamance dran zu sein, denke ich.
Gegen 14 Uhr erreichen wir den Gare Routière von Kaolack. Sieben Stunden Fahrzeit, inklusive Panne. Gar nicht so schlecht. Doch jetzt will ich nur noch ins Hotel. Duschen und Ausruhen. Ich bin froh, dass wir uns im besten Hotel der Stadt eingebucht haben und freue mich auf einen relaxten Nachmittag am Pool.
Fazit von der Fahrt im Buschtaxi
Eine Fahrt im Sept-Places oder Minibus ist keine bequeme Art des Reisens, aber sehr authentisch. Auf jeden Fall ein besonderes Erlebnis, das im Gedächtnis bleibt. Allerdings solltest du keine Zeitnot mitbringen und keinerlei Komfort erwarten.
Doch für die nächste Strecke von Kaolack ins Sine Saloum Delta buchen wir einen privaten Transfer. Wir möchten nicht noch einen ganzen Fahrtag einlegen. Für den Rest unserer Senegal-Rundreise mixen wir Fahrten im Buschtaxi und im privaten Taxi bis wir gegen Ende der Tour unseren Mietwagen in Empfang nehmen.
Meine Tipps zur Fahrt im Buschtaxi
- Früh morgens reisen die meisten Leute, die Taxen sind also schneller voll und abfahrbereit
- Vermeide die improvisierte Rückbank im Kofferraum, hier hast du wenig Platz und kaum frische Luft
- Ein zusätzliches Ticket verschafft extra Platz
- Vermeide Fahrten in der Mittagshitze
- Alle Buschtaxen starten am Gare Routière
- Tickets erhältst du zum festgelegten Preis direkt vor Abfahrt am Ticketschalter
- Sei flexibel, du weißt nie was unterwegs passiert
Meine Hoteltipps in Ziguinchor und Kaolack
Ziguinchor
- In Ziguinchor übernachteten wir im Hotel Le Perroquet – charmantes kleines Hotel direkt am Fluss mit schöner Terrasse.
- Alternativ ist Les Jardins du Flamboyant* zentral in einem schönen Kolonialhaus untergebracht.
Kaolack
- Nach der anstrengenden Fahrt gönnen wir uns in Kaolack das beste Hotel der Stadt, Hôtel Adjana. Die riesige Anlage mit ihren kleinen Bungalows auf Stelzen im Fluss, der Poollandschaft und tropischen Garten bietet allen Komfort.
Wenn du mehr über die Reisemöglichkeiten im Senegal erfahren möchtest, lese auch meine Artikel
► Fähre Dakar Ziguinchor mit Infos zur Nord-Süd-Querung des Senegals
► Die schönsten Senegal Sehenswürdigkeiten mit Anreisetipps zu den Highlights
► Roadtrip: Senegal im Mietwagen durch Senegals Norden
*Dieser Artikel enthält Empfehlungs-Links. Sie führen dich zu Produkten, Hotels und Reisebausteinen, die ich dir besonders ans Herz lege. Kaufst oder buchst du über diese mit einem Stern* gekennzeichneten Links, erhalte ich als Dankeschön eine kleine Provision. Für dich entstehen keine Mehrkosten. Tausend Dank für diese Unterstützung meines Blogs!
Schreibe einen Kommentar!