Hektik, Verkehrsstau, unausweichliches Chaos, Shopping-Malls – ein urbanes Zentrum. Ein goldener Stuhl, hunderte bunt gewandete Chefs, Trommelklänge – eine traditionelle Macht, die über moderne Demokratie hinausreicht. Wie passt das zusammen?
Auf den ersten Blick erscheint Kumasi wie eine typische west-afrikanische Großstadt auf dem Weg in die Moderne. Doch dahinter verbirgt sich die Tradition mehrerer Jahrhunderte. Kumasi ist Ghanas zweite Hauptstadt. Nicht nur, weil sie mit über 2 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes ist. Nicht nur, weil inzwischen viele Städter von Accra ins kleinere Kumasi ziehen. Vor allem, weil Kumasi seit drei Jahrhunderten Königssitz der Aschanti ist.
Spaziergang durch den Palast des Aschanti-Königs
Einen ersten Einblick in das Königreich der Aschanti erhalten wir im Königspalast Manhyia, in dem heute ein Museum eingerichtet ist. Einen Tag vor dem wichtigsten Fest der Aschanti, dem Thronjubiläum, folgen wir unserem Guide durch die Ausstellung. Als lebensgroße Figuren lernen wir die letzten Könige, und wichtiger noch, die Königs-Mütter, kennen. Nicht immer sind es wirklich Mütter. Mal sind es Tanten, mal Schwestern. Wie wir erfahren wird die Königslinie mütterlicherseits weitergeben. Und es ist letztendlich auch Königs-Mutter, die den Nachfolger vorschlägt. Und akzeptiert.
Im Königspalast sehen wir Teile der einstigen Einrichtung. Der Ventilator läuft noch. Der Kühlschrank ist in Betrieb und hält Bier für den anstehenden Besuch bereit. Wir sehen Kleidung, Goldschmuck und Gebrauchsgegenstände des Königs.
Vorbereitung auf den großen Throngeburtstag
Immer wieder bricht unser Guide mitten in der Erklärung eines Exponats ab, indem er feststellt, dass es gar nicht mehr vor Ort ist. Es wurde bereits enthoben. Für das bevorstehende große Fest am morgigen Tag. Das Museum lebt. Die Ausstellungsstücke sind tatsächlich in Gebrauch und verstauben nicht als historisches Erbe in ihren Vitrinen. So sind bereits Teile von Waffen und Schmuck verschwunden – auf dem Weg zum König. Ebenso die vielen kleinen Geldbeutel, die er morgen um seinen Leib geschlungen tragen wird. Als Zeichen für Macht und Reichtum.
Noch im Museum zu sehen ist die Sänfte, auf der der König halb liegend, halb sitzend auf starken Männerschultern getragen wird. Hierauf wird er auch morgen an seinem Volk, seinen Anhängern, untergeordneten Chefs und anderen Königen vorbeiziehen. Er wird ihnen zuwinken. Und tanzen. Seinen Tanz, den nur er tanzen darf, wie uns unser Empfangschef im Hotel später verrät und uns eine Kostprobe gibt: In ausladenden Armbewegungen umfasst der König quasi die ganze Welt. Und führt sie schließlich in einer kraftvollen Bewegung zu seinem Herzen. Alles gehört ihm.
Er symbolisiert damit seine Macht. Die höchste Macht. Die ebenfalls sein goldener Stuhl anzeigt. Dieser steht noch im Museum und wartet auf seinen Einsatz am nächsten Tag.
Das große Aschanti-Reich
Eigentlich wollten wir am nächsten Morgen früh weiter fahren. Zurück an die Küste. Doch dieses Spektakel können wir uns nicht entgehen lassen. Otumfuo Osei Tutu II ist seit nun 20 Jahren König der Aschanti. Morgen ist der Jahrestag seiner Thronbesteigung, der groß gefeiert wird. Um 8 Uhr soll es losgehen und den ganzen Tag andauern. Wir werden da sein. Und versuchen einen Blick auf den großen König der Aschanti zu erhaschen.
Zufällig in DAS Ereignis im Aschanti-Reich hineingestolpert, brauche ich erst mal ein paar mehr Infos. Klar, die Aschanti sind mir ein Begriff. Als mächtiges Königsreich in Ghana. Aus Togo hörte ich von ihnen vor allem im Zusammenhang mit den Aschanti-Kriegen, aus denen Gefangene anderer Stämme als Sklaven an die Europäer weiter verkauft wurden. Aber viel mehr weiß nicht.
Also verfolgen wir noch einmal, diesmal von Beginn an, den kleinen Film im Museum. Dieser spricht von einem friedfertigen Volk, jederzeit dazu bereit sich zu verteidigen. So auch gegen die Kolonisation der Britten. Dennoch wurde das Reich der Aschanti nach blutigen Aufständen und der Verbannung des Königs und Königs-Mutter ins Exil auf die Seychellen der britischen Goldküste angegliedert.
Nach fast 300 Jahren verloren die Aschanti ihre Eigenständigkeit, nicht aber ihre Identität und ihren Einfluss. Auch Britannien war schlichtweg gezwungen, den Aschanti König Prempeh I aus dem Exil zurück zu holen. Bis heute haben seine Thronerben als traditionelle Führer hohen sozialen Stellenwert und politischen Einfluss. So erzählt uns ein alter Ghanaer, dass der Präsident vor allen wichtigen Entscheidungen den König informiert oder gar seinen Rat einholt.
Am Tag der Thronbesteigung feiert ihn ein ganzes Volk. Präsidenten, Könige und traditionelle Chefs sind zu seiner Ehren geladen. Darunter die Paramount-Chiefs, die 56 Oberhäuptlinge Ghanas, die dem König der Aschanti direkt unterstehen, Präsidenten aus ganz Afrika und Könige anderer Clane.
Warten auf den König
Am nächsten Tag stehen wir pünktlich – das heißt nach westafrikanischer Zeitrechnung anderthalb Stunden nach offiziell angekündigtem Beginn – auf dem Vorplatz des Palastes. Die letzten Vorbereitungen laufen. Hunderte von Stühlen werden angekarrt. Hostessen laufen aufgescheucht von links nach rechts. Und wieder zurück. Das Militär zieht Absperrungen.
Gäste sind bislang kaum da. Wir haben die freie Platzwahl und die Qual, den Sitzplatz mit der wohl besten Sicht zu finden. Schließlich installieren wir uns in der ersten Reihe eines überdachten Seitenflügels. Optimale Sicht, bestätigt uns einer der Ordner. Alles richtig gemacht, denke ich. Dass diese typisch deutsche Strategie „schon mal das Handtuch auswerfen bevor es los geht“ in Ghana nicht funktioniert, erfahre ich später.
Die ersten Besucher trudeln ein. Einige Presseleute bauen Kameras auf. Andenken werden verkauft. Noch mehr Stühle aufgebaut. So vergeht eine weitere Stunde. Jetzt könnte es mal losgehen! Ich werde ungeduldig. Ein Ordner kommt und verweist uns in einen anderen Seitenrang. Wir müssen Platz machen für geladene Würdenträger. Ok, einen Rang weiter, ist die Sicht auch nicht viel schlechter. Noch immer haben wir fast freie Platzwahl und sichern uns die erste Reihe.
Ganz normaler Orga-Wahnsinn in Ghana
Das Warten wird interessanter. Die Zeit verstreicht beim Beobachten der langsam einlaufenden Gäste. Traditionell in bunte Stoffe gehüllt, nach historischer Art lose um den Körper geschlungen. Gehilfen tragen Königsstühle, vom einfachen Thron bis zum luxuriösen Sessel, an mir vorbei und platzieren sie auf dem Rasen. Andere folgen mit goldenen oder hölzernen Zeptern in der Hand.
Ich drehe eine Runde über den Platz. Die tausende Stühle wirken noch immer verweist. Im hinteren Teil warten große, rote Sonnenschirme auf ihren Einsatz. Musikgruppen umringen ihre Trommeln. Fotografen laufen von A nach B.
Noch immer werden Stühle aufgestellt. Vor einigen Reihen stehen Schilder mit den Namen der Kantone oder Königreiche, die hier Platz nehmen dürfen. Vor unserem Abschnitt steht kein solches Schild. Dennoch müssen wir erneut weichen. Die Stühle werden abgebaut. Der Platz ist nun reserviert für eine Gruppe, die sich später tanzend oder auf dem Boden sitzend um ihren Chef einrichten wird.
Inzwischen genervt vom Plätze rücken, ziehen wir in den nächsten Rang. Die Frage, warum sich ein solches, jährlich wiederkehrendes Spektakel, nicht besser im Vorfeld organisieren lässt, verkneife ich mir.
Der große Aufmarsch zu Ehren des Aschanti Königs
Es ist inzwischen fast zwölf, als der große Aufmarsch beginnt. Chefs und Könige samt Gefolge laufen nun farbenprächtig ein: Bunte Gewänder, aufwendig gestickte Muster, glitzernde, mit Goldfäden durchzogene Stoffe, reich verzierte Sandalen, Goldschmuck, Kronen auf dem Haupt und kunstvoll gearbeitete Stäbe in der Hand. Über den Köpfen schwirren riesige, samtene, rote Schirme. Ich kann mich nicht satt sehen.
Die Chefs sind umgeben von Musikern, die laut auf große auf den Schultern getragenen Trommeln schlagen. Tänzer wirbeln um sie herum. Über allem dröhnen die Ansagen des Stadionsprechers, der die auflaufenden Würdenträger ankündigt. Einer folgt auf den anderen. Ohne Unterbrechung.
In dem bunten Gewimmel sticht eine in schwarz-und-weiß gehaltene Gruppe hervor. Daneben ein ganz in schwarz gekleideter Chef mit seiner furchterregenden, bewaffneten Truppe um sich. Schüsse der Gewehre krachen in meinen Ohren.
Der Klügere gibt nach, oder wie heißt es?
Unser Platz wird erneut in Anspruch genommen. Aber so einfach geben wir diesmal nicht bei. Auch die neben uns stationierte Trommelgruppe ist nicht bereit, weg zu rücken. Bis der „Gehilfe“, der verzweifelt versucht für seinen Chef den Platz zu erobern, handgreiflich wird und seine Stühle grob zwischen die wartenden Leute stößt. Wir rutschen einige Reihen nach hinten. Außer Reichweite. Unter großem Gezeter. Die Sicht wird schlechter.
Schließlich läuft auch der Chef auf, für den unseren Rang erkämpft wurde. Umringt von seinen Beratern, Nächsten, Anhängern und Gehilfen. Von allen Seiten versuchen sie zu ihm vorzudringen und ihm ihre Ehre zu erweisen. Das Gedränge ums uns nimmt zu. Schließlich sehen wir gar nichts mehr. Unseren Schattenplatz haben wir verloren.
Es ist bald zwei Uhr. Aus allen Nebenstraßen strömen weitere Gruppen, die sich in die Kette der Einlaufenden einreihen. Vom König ist keine Spur zu erahnen. Vor 16 Uhr wird er nicht erscheinen, heißt es. Und im immer dichter werdenden Menschengewimmel würden wir wahrscheinlich ohnehin keinen Blick auf ihn erhaschen.
Immerhin kennen wir bereits die Sänfte, auf der er sitzen wird. Den Schmuck, den er tragen wird. Und den Tanz, den er tanzen wird. Zeit zu gehen. Schließlich wollen wir noch an die Küste.
Meine Tipps für Kumasi:
- Lass dir ein solches Spektakel nicht entgehen. Neben dem jährlichen Throngeburtstag wird alle 42 Tage am Sonntag das AKWASIDAE Festival im Hof des Königspalastes gefeiert. Auch zu diesem Anlass kommen die prachtvoll gekleideten Chefs des Landes und andere Ehrengäste zusammen, um dem König ihre Loyalität zu zeigen. Termine können beim Museum angefragt werden +233 0322023680, info@manhyiamuseum.org, www.manhyiamuseum.org
- Im Kontrast zur ganzen Königspracht zeigt der KEJETIA Markt ein Getümmel der ganz anderen Art. Zehntausende Händler bieten auf dem größten Open-Air-Markt Westafrikas ihre Waren feil. Es ist einfach alles zu finden. Rund um den Markt offenbart sich das so typische westafrikanische Großstadt-Chaos.
- Entspannt Souvenirs shoppen kannst du besser im NATIONAL CULTURAL CENTRE. Die Händler sind weitaus unaufdringlicher als in Accra und lassen sich teilweise bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Umgeben von einer angenehmen Grünfläche für eine Pause von der städtischen Hektik. Auch die tourist-information befindet sich hier.
Weiterreise
- Nach Accra über gute Teerstraße in etwa 4 Stunden
- Nach Cape Coast ebenfalls über Teerstraße in 3-4 Stunden
Bianca Leidner
14. Dezember 2019Hallo Britta,
na da wurde Eure Geduld ja ziemlich gefordert! Aber war bestimmt trotzdem interessant so ein Spektakel mitzubekommen, hast Du wieder toll beschrieben! ?
Liebe Grüße Bianca
Elke Daniel
24. August 2019Hallo Britta, vielen Dank, dass Du Dich so schnell gemeldet hast – sehr nett von Dir.
Zu Deinen Fragen:
Unser Plan ist, Mitte November zu starten – mit der Fähre von Genua nach Tanger und dann auf dem Landweg gemütlich bis zu unserem Endziel Togo (Ende März 2020).
Bezüglich Malaria haben wir unser Fahrzeug mit Mückenschutz gut ausgestattet.
Zu unseren Reiseberichten: Wir haben keinen Block und auch keinen Internetauftritt eingerichtet. Wir schicken per Mail lediglich unseren engsten Freuden ca. alle 4 Wochen einen Reisebericht.
Wir werden Deine Berichte weiter verfolgen, auch während unserer Reise. Sollten wir uns in dieser Zeit örtlich annähern, dann würden wir uns sehr freuen, Dich einmal persönlich kennenzulernen. Grob geplant ist, um die Weihnachtszeit/Jahreswechsel im Senegal zu sein.
Weiterhin viele tolle Erlebnisse auf Deiner Reise durch Westafrika.
Viele Grüße
Elke Daniel
Britta
26. August 2019Hallo Elke, meldet euch auf jeden Fall, wenn ihr euch der Elfenbeinküste nähert. Würde mich freuen!
Gerne schicke mir Mal den Link zu eurem Blog, wenn es soweit ist.
Liebe Grüße, Britta
Daniel, Elke
22. August 2019Hallo Britta, mit großem Interesse und Neugierde verfolgen wir Deine tollen Berichte von der Westküste Afrikas. Gespickt mit vielen Informationen, die für uns auf unserer geplanten Reise, die wir im November d.J. antreten wollen, sehr nützlich sein werden. Wie lange bist Du noch vor Ort?
Wir starten mit einem Expeditionsmobil von Deutschland aus Richtung Marokko, Westafrika bis Togo – Ende der geplanten Reise Ende März 2020. Dort wollen wir das Fzg. stehen lassen und nach Hause fliegen, um dann nach 8 Monaten die Reise Richtung Südafrika fortzusetzen.
Eine Sache interessiert uns sehr – wie schützt Du Dich bei Deinem langen Aufenthalt gegen Malaria? Stellt für uns im Moment noch ein zu lösendes Problem dar.
Freuen uns, von Dir zu hören.
Elke
Britta
22. August 2019Hallo Elke, das freut mich sehr zu hören, dass dir meine Berichte gefallen. Dankeschön ?
Ich bin inzwischen in der Elfenbeinküste und werde hier sicherlich noch ein paar Monate bleiben. Also, sei gespannt auf weitere Storys ?
Euer Plan mit dem Expeditionsmobil hört sich ja mega spannend an!!! Kann man euch auch irgendwie folgen? Berichtet ihr von unterwegs? Wann geht es denn los?
Zum Glück habe ich bislang keine Malaria gehabt – toi, toi, toi ✊ Die erste Zeit in Togo habe ich Lariam genommen. Bis ich mich richtig eingerichtet hatte. Bei mir zu Hause ging es dann ganz gut. Ich hatte eigentlich keine Mücken im Haus (Netze vor den Fenstern) und immer unter einem Moskitonetz geschlafen. Wenn ich abends raus gehe, meist ne lange Hose an und ansonsten mit Mückenspray (Deet) eingesprüht. Auf Reisen ist das schon schwieriger. Ich hab meist ein Moskitonetz dabei, allerdings zugegebenermaßen nicht immer konsequent aufgehängt. Ansonsten auch mal in Hotels Insektenspray gesprüht, wenn ich das Gefühl hatte, es wären Mücken im Zimmer. Also, ich kann euch nur raten euer Reisemobil mückensicher zu machen – das ist schon die halbe Miete!
Viele Grüße aus Abidjan. Britta
Jutta Völker
20. August 2019Hallo Britta, toller Bericht und tolle Fotos. Du hast die Mentalität der Westafrikaner sehr gut beschrieben, ist aber in ganz Afrika ähnlich. Machst Du noch eine Rundreise und wo geht es beruflich als nächstes hin? Alles Gute.
Jutta
Britta
20. August 2019Danke ? Gerade bin ich in der Elfenbeinküste. Auch ein schönes Land, in dem ich noch so einiges erkunden kann. Beruflich weiss ich leider noch nicht so genau wo es hingeht. Gerne würde ich aber noch eine Zeit in einem Land Afrikas bleiben.