Mein Leben in Abidjan

Mehr als ein Jahr wohnte ich in Abidjan. Wie es sich in einer westafrikanischen Großstadt lebt und ob es mir gefiel? Lies es selbst…

Ankunft in der westlichen Großstadt Westafrikas

Mein erster Eindruck von Abidjan war vor allem „Wow, hier gibt es ja alles.“ In den großen Shoppingmals reiht sich eine Boutique an die nächste: modische Klamotten, Schuhe, Sportsachen, Supermärkte, Geschenkartikel, Deko, Einrichtung, Hifi, Bücher etc. All der Kommerz, den es auch in Europa gibt. Weniger Auswahl, aber einige große Marken sind dabei.

Viel Atmosphäre haben die blank geputzten, klimatisierten Mals natürlich nicht. Super praktisch sind sie trotzdem. Für meinen Alltag war das nach zwei Jahren in Kaplimé in Togo ein enormer Fortschritt.

Weihnachtlich dekorierte Shoppingmall in Abidjan

Noch etwas hat mir an Abidjan sofort gefallen: die Bäckereien. Eigentlich an jeder Ecke sehe ich einen Bäcker. Auf den Theken liegen neben Baguette auch Teilchen und Croissants. Und zu meinen Lieblingen gehören ein paar süße Cafés. Mit richtig gutem Kaffee! Es gibt schicke Restaurants, Kinos, Kunstgalerien und Veranstaltungen… Generell wird in Abidjan gerne gefeiert. In den Maquis, in Clubs und auf Festivals machen die Ivoirianer den Tag zur Nacht.

Kunstgalerie und modernes Café in Abidjan

Es ist diese „westliche“ Seite der Großstadt, die ich zu Beginn sehr genieße.Irgendwie bin ich eben an den europäischen Komfort gewöhnt und habe ihn in zwei Jahren in Kpalimé doch etwas vermisst.

Abidjan ist ganz schön grün

Mein zweiter positiver Eindruck von Abidjan: Für eine Stadt mit über vier Millionen Einwohnern ist Abidjan erstaunlich grün. Etwa 1.700 Personen pro Quadratkilometer – das ist extrem wenig für eine afrikanische Metropole. In Abidjan gibt es kleine Parks im modernen Businessviertel, gepflegte Grünstreifen begleiten einige Hauptstraßen. Der Nationalpark Banco ragt mit seinen riesigen Bäumen bis ins Stadtgebiet.

Nationalpark Banco in Abidjan und Botanischer Garten Bingerville

Entlang der Lagunen und Bäche der Stadt dienen breite, unbebaute Flächen dem Rückhalt von Wasser bei starkem Regen. Doch immer wieder wachsen illegale Hütten in den Bereich hinein. Bis die nächste staatliche Aktion zur „Säuberung“ kommt. Verkaufsstände und Wohnhütten zertrümmert, schafft die Regierung mit Nachdruck neuen Platz.

Denn Überflutungen in der Regenzeit sind eines der größten Probleme in Abidjan. Im Juni habe ich mitverfolgt, wie zahlreiche Straßen im Wasser versanken. Abwasserkanäle quollen über. Häuser stürzten ein, Land rutschte ab. Mehrere Dutzend Menschen kamen dabei ums Leben.

Unaufhörliches Wachstum in Abidjan

In Abidjan wuchert die Vegetation auch mitten in den Wohngebieten auf Brachen. Noch, denn die Stadt wächst unaufhörlich und rasant. Täglich ändert die Stadt ihr Gesicht. Ganze neue Viertel schieben sich zwischen Lagune und alte Ortschaften. Einfache Hütten weichen modernen Hochhäusern. Bagger stampfen neue Wege aus dem Boden, Sandpisten verwandeln sich in Teerstraßen.

Business District von Abidjan in der Elfenbeinküste
Business-District von Abidjan

Als ich Abidjan vor ein paar Monaten verließ, waren mehrere Großprojekte im Bau. In der Lagune entsteht ein schicker Hafenkomplex mit Boutiquen, Restaurants und Marina. Finanziert von marokkanischen Geldgebern. Im Westen der Stadt soll bald eine gigantische Brücke über die Lagune die Verkehrssituation entlasten. Noch mehr träge die geplante Metro dazu bei, die seit 2017 in Planung ist.

An der Küste entsteht eine neue Strandpromenade. Spazierwege sind bereits angelegt, Toiletten gebaut, Blumen gesetzt und Palmen gepflanzt. Ich hatte gehofft, dieses Projekt noch fertig zu sehen. Doch bei meinem letzten Besuch war die Promenade zwar schon ganz gut hergerichtet, der Strand allerdings absolut vermüllt.

Angler am Strand in Abidjan

Müll. Ein weiteres großes Problem in Abidjan. Man könnte meinen „Cool, Abidjan liegt am Meer, da kann man die Wochenenden und Nachmittage schön am Strand verbringen.“ Möchte man im Stadtgebiet allerdings weniger, weil die Küste total zugemüllt ist. Für ein Getränk mit Blick in die Wellen, ok. Aber nicht, um mit nackten Füssen durch den Sand zu spazieren oder im Meer zu baden. Dazu muss man etwas weiter raus fahren.

Auf Entdeckungstour in Abidjan

Die Strände der Umgebung waren immer wieder willkommene Ausflüge am Wochenende. Herrliche, weite Sandstrände mit Palmen und wilden Wellen. Daneben erkundeten wir gerade in den ersten Wochen intensiv die Stadt.

Wir sind mit der Fähre über die Lagune geschippert, in die Grünflächen der Stadt gefahren, durch das Finanzzentrum mit den modernen Hochhäusern geschlendert und gleich nebenan in die quirligen Märkte von Adjamé eingetaucht. Der wohl chaotischste Ort, den ich in Westafrika kennen gelernt habe.

Chaotischer Stadtteil Adjame von Abidjan

Ein guter Start in Abidjan

Spricht alles für einen guten Start in Abidjan. Und das war es auch.

Mein Lieblingscafé in Abdidjan
Mein Lieblingscafé in Abidjan

Relativ schnell haben wir eine Wohnung gefunden. In Aquedo, einem ruhigen, gemischten Viertel, nicht ganz weit vom Zentrum entfernt. Aber mit der Entfernung ist das in Abidjan eine relative Sache…

Absolutes Verkehrschaos

Der Verkehr in Abidjan hat mich von Anfang an Irre gemacht. Man steht ständig im Stau. In der Rushhour kann ein kurzer Weg von 10 Minuten schnell eine Stunde oder länger dauern.

Mit der Zeit lernen wir die Nadelöhre kennen und versuchen diese, wann immer möglich, zu umfahren. Die Überlastung der Straßen ist das eine, noch schlimmer für mich ist die Fahrweise. Die Taxen heizen wie die Bekloppten und drängen sich in jede noch so kleine Lücke. Ohne auf irgendeine Verkehrsregel zu achten. Entsprechend verbeult und mitgenommen sehen die Wagen aus.

Gbaka im Verkehrsstau in Abidjan

Getoppt werden sie von den Gbaka-Fahrern – die größten Verkehrssünder überhaupt! Gbakas sind Minibusse, kostengünstiges und zentrales Transportmittel vieler Ivoirianer. Aus der halboffenen Tür der Kargos hängt der „Apprenti“, der Lehrling, heraus. Seine Aufgabe ist es, Leute durch lautes Schreien herbeizulocken, dem Fahrer einen Haltewunsch durch Klopfen aufs Autodach zu signalisieren und die Fahrgelder einzukassieren.

Gbaka in Abidjan in der Elfenbeinküste

An den Ampeln und Kreuzungen wuseln fliegende Händler durch die Reihen von Autos. Sie halten dir fast alles ans Autofenster – von Snacks und Wasser, über Scheibenwischer und Spielzeug bis hin zu ganzen Sortimenten mit Töpfen, Geschirr, Toilettenpapier und zuletzt Hygienespray und Masken.

Arm und Reich prallen aufeinander

Noch nie habe ich den Kontrast von Arm und Reich so stark, so offensichtlich und auf so engem Raum gesehen, wie in Abidjan. Der oben beschriebene westliche Komfort ist einer kleinen, wohlhabenden Schicht vorbehalten. Der Großteil von Abidjans Einwohnern kann ihn sich nicht leisten.

Die unteren Schichten sorgen für das Funktionieren hinter den Kulissen. Die besser Verdienenden bringen in den neuen Geländewagen die Kinder der Mittel- und Oberklasse in die privaten, amerikanischen oder französischen Schulen. Sie pflegen die Gärten, putzen die Villen. Sie stehen an der Kasse der schicken Boutiquen und französischen Supermarktketten. Andere versuchen es mit Kommerz und Handel in den Straßen oder als fliegende Verkäufer.

Markt in Treichville Abidjan
Markt von Treichville in Abidjan

Für mich ist erstaunlich, dass die Stadt dennoch recht sicher ist. Tagsüber kann ich (als weiße Frau) ohne Bedenken überall durch Abidjan spazieren. Außer, dass ich mit der hellen Hautfarbe auffalle und ständig angesprochen werde, muss ich keine Bedenken haben. Nachts nehme ich mir dann lieber ein Taxi und meide bestimmte Gegenden sowie dunkle, unbeleuchtete Straßen.

Eintauchen in den Alltag in Abidjan

Nach und nach bin ich in den Alltag eingetaucht. Als Weiße bin ich in unserem Quartier eine Seltenheit. Anders als in den schicken Villensiedlungen ist die Bevölkerung hier bunt gemischt, aus allen möglichen Schichten. Wir wohnen in einem großen Mietshaus. Eine kleine, einfache 2-Zimmer-Wohnung bekommst du in Aquedo ab etwa 150/200 Euro. Weit mehr als der monatliche Verdienst des Großteils der Bevölkerung.

Aquedo ist ein recht neues Viertel. Überall wird noch gebaut. Rechts neben unserer Wohnung steht ein Rohbau, gegenüber zieht der Besitzer eine Mauer um seine Brachfläche. Auf der linken Seite bauen Einwohner Gemüse, einige Papayas und Bananen an. Die Straße vor unserer Haustür ist eine bucklige Sandpiste. Ganz bis zu unserer Wohnung reichen die wenigen, kürzlich asphaltieren Wege des Viertels nicht.

Hinter der Kreuzung beginnen die Bretterhütten der ärmeren Bevölkerung. Kleine Verschläge aus Holz, mit schwarzer Plane gegen den Regen geschützt. Ohne Küche und Bad. Andere Familien beziehen noch nicht fertig gestellte Wohnungen im Rohbau. Ebenfalls zur monatlichen Miete.

Bewohnter Rohbau in Abidjan
Bewohnter Rohbau in Aquedo, Abidjan

Lebendiges Leben auf der Straße

Kein Wunder also, dass sich ein Großteil des Lebens draußen abspielt. Auf der Straße ist immer etwas los. Bei einem Schritt vor die Haustür tauche ich direkt ein in das bunte afrikanische Leben.

Ein Vorteil ist, man bekommt fast an jeder Ecke das Notwendige, wenn beim Kochen gerade etwas fehlt. Zumindest die westafrikanischen Grundzutaten. An Holzständen verkaufen Frauen Obst und Gemüse oder ziehen andere kleine Geschäfte mal in Bretterbuden, mal an Tischen an den Wegen, mal in den unteren Etagen der Wohnhäuser auf.

Überall gibt es leckere Snacks an der Straße. Scharf gewürztes, gegrilltes Hähnchen ist eine Spezialität in Abidjan. Immer wieder sieht man an der Straße Frauen, die Teigbällchen im heißen Öl frittieren. Je nach Saison gibt es Kochbananen oder Mais vom Grill und dazu frisch geröstete Nüsse.

Verkauf von gegrilltem Hähnchen in Abidjan

Direkt neben unserer Wohnungstür verkauft Djallo Konserven, Getränke, Waschpulver und vieles mehr. Sein Geschäft ist fast rund um die Uhr geöffnet. Einmal quer über die Straße bekomme ich mein Gemüse: Tomaten, Kartoffeln und je nach Saison, was gerade reif ist. Während unter dem Tisch ihre Kinder im Schatten spielen ruft mir Tanti zur Begrüßung ein herzliches „ma chérie“ entgegen.

Lärm ist überall

Oben schrieb ich, unser Viertel sei ruhig. Im Vergleich zu Deutschland muss ich das etwas relativieren. Ein ruhiges Viertel heißt in Abidjan nicht, das wirklich Ruhe herrscht. Aber es gibt wenig Straßenlärm, keine schreienden Gbaka-Apprentis und kein chaotisches Gewusel. Auch sind keine Maquis oder Kirchen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, die ansonsten für einen starken Geräuschpegel sorgen – sei es mit dröhnender Musik bis in die Nacht oder Gesang sowie über Lautsprecher übertragende Predigten am frühen Sonntagmorgen.

Leise ist es dennoch fast nie. Kinder spielen lachend auf der staubigen Straße, unser Wächter unterhält sich mit den Nachbarn vor der Tür und auf einer Bank vor dem Haus wird eine Runde Lido gespielt.

Alltagsleben im Stadtteil Treichville von Abidjan
Alltagsleben in Treichville

Ruhestörung ist in Abidjan kein Thema. In dem Sinne, dass es einfach niemanden stört, ob der Nachbar gerade ein Mittagsschläfchen hält, nach Feierabend in Ruhe vor dem Fernseher sitzen oder am Sonntag ausschlafen möchte. Wenn die Handwerker am Sonntag Zeit haben, wird eben am Wochenende die Wand herausgerissen. Und wenn dem Wächter nachts langweilig ist, steht er auch um 2 Uhr nachts trällernd vor der Tür.

Aufgeheizte Gemüter & ungebremste Lebensfreude

Hinzu kommt, dass Gespräche in der Elfenbeinküste schnell laut werden. Es ist nicht selten, dass Frauen lautstark Kinder zurechtweisen und Männer ihre kontroversen Ansichten mit Betonung ausdiskutieren. Das Gemüt der Ivoirianer ist leicht aufzuheizen. Doch genauso schnell ist der Grund des Streites schon wieder vergessen und es wird gemeinsam gescherzt.

Tanz und laute Musik sind fester Bestandteil des Alltags. Spontane, ungebremste Lebensfreude – wie ich sie in Deutschland nie gesehen habe – wird ausgelassen gezeigt.

Feiernde Menschen auf Festival in Abidjan

Heimisch werden in Abidjan?

Ganz ehrlich, trotz der geschilderten „westlichen“ Vorzüge im Mix mit der chaotischen Herzlichkeit der Ivoirianer – heimisch geworden bin ich in Abidjan nie so richtig.

Dennoch war die Zeit in Abidjan eine spannende Erfahrung. Sie hat mir noch einmal ein ganz anderes Gesicht Westafrikas gezeigt. Die Elfenbeinküste ist eines der am besten entwickelten Länder in der Region. Und das merkt man in Abidjan. Das merkt man am Kommerz, an den Autos auf der Straße, den zahlreichen Villen, an dem Publikum in schicken Restaurants. Hier prallen Reich und Arm aufeinander, leben auf engstem Raum miteinander. Abidjan ist unheimlich lebendig und immer in Bewegung.

Skyline von Abidjan, Elfenbeinküste

Mir persönlich war es auf Dauer einfach zu viel. Zu viel Lärm. Zu viel Verkehr. Und zu viele Menschen.

Lies hier, wie ich vor drei Jahren in Westafrika ankam.

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