Wie bitte? Kaffe mit Beinen? So viel kann ich meinen Spanisch-Kenntnissen inzwischen vertrauen: „café con piernas“ habe ich korrekt übersetzt. Was der ‚bebeinte‘ Kaffee bedeutet, erfahre ich auf der free walking tour Santiago de Chile.
Ich schlendere gemächlich durch die Straßen und lasse mich treiben. Alle Leute um mich herum scheinen bereits am Morgen in Eile. Santiago de Chile ist eine geschäftige 6-Millionenstadt: wuselig, kulturell vielfältig, lebendig.
Free Walking tour Santiago de Chile: Auf zu den Sehenswürdigkeiten
Soviel Geschäftigkeit steckt an. Ich schließe mich spontan einer free Walking tour (freien Stadtführung) an, die gerade am Plaza de Armas startet. Die bekannten Sehenswürdigkeiten dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Die Tour startet an Santiagos zentralem Platz täglich um 10 und 15 Uhr. Fein säuberlich trennen Bänke die angelegten Wege vom akkurat getrimmten Rasen. Darüber schirmt ein Dach aus Blättern und Palmwedeln die Sonne ab.
Mein Blick folgt den flotten und unterhaltsamen Erklärungen unseres Guides und wandert von der Kathedrale, zum weißen Posthaus, bis hin zum Palacio de La Real Audiencia. Vorbei spazieren wir am National-Museum und Theater bis zum Regierungspalast. Flaggen wehen im Wind.
Schnell haben wir ein Rudel Vierbeiner an unserer Seite. Die Straßenhunde gehören niemanden und jedem. Hier steckt eine Frau ein Leckerli zu, dort gibt es eine Krauleinheit von einem alten Mann. Vor der Eisdiele etwas Wasser und mit unserem Guide die tägliche Gassirunde.
Samt Hunden ziehen wir durch die trubelige Fußgängerzone. Vor modernen Modehäuser und Fastfood-Lokalen reiht sich das bunte Angebot der Straßenhändler. Musiker unterhalten die Passanten. Schuhputzer beugen sich über die teuren Schuhe schicker Business-Männer.
Und was hat es nun mit dem ‚café con piernas‘ auf sich?
Zahlreiche Cafés spicken das Zentrum und seine Passagen. Vor einem alten Traditions-Café bleiben wir stehen. Soweit ganz normal: Hübsche, in kurzen Kostümen gekleidete Kellnerinnen servieren mit einem netten Lächeln den Kaffee. Meist sitzen Business-Männer an den kleinen Tischen.
Was wir nicht sehen, aber unser Guide zu erzählen weiß: das Lokal ist die Wiege des traditionellen ‚café von piernas‘. Der Kaffee sei damals so schlecht gewesen, dass sich der erfinderische Inhaber eine neue Geschäftsidee einfallen lassen hat. Um den Verkauf zu steigern, musste ein zusätzlicher Anreiz her. Gut aussehende Damen, die viel Haut zeigen, sollen fortan das wenig genießbare Gebräu servieren. Gratis dazu gibt es einen netten Plausch, einen kleinen Flirt. Was will ‚Mann‘ mehr? Die Idee ist aufgegangen. Der ‚cafe con piernas‘ hat sich zur Tradition in Santiago gemausert.
Dieses Café in Santiagos Fußgängerzone hat sich geöffnet. Auch Frauen zählen inzwischen zu den Gästen. Der Laden ist weit geöffnet. Tische stehen unter Bäumen auf dem Pflaster.
Zahlreiche andere Cafés im Geschäftszentrum führen die ursprüngliche Tradition weiter. Getönte Scheiben verwehren den Blick ins Innere. Abgeschirmt genießen geschäftige Männer in Anzug mit Krawatte dahinter ihren Kaffee. Und die nette Gesellschaft sparsam bekleideter Frauen.
Wir spähen hinter eine verdunkelte Tür in einer Passage. Langbeinige Frauen laufen über einen erhöhten Steg. Früher noch im Minirock, reicht in neueren Lokalen der 90er auch ein knapper Bikini. Einen Kaffee in der Hand, plaudern sie lächelnd mit den Kunden. Ausschließlich Männer.
Und für Frauen? Es gab mal ein entsprechendes Café. Gut trainierte Männer mit freiem Oberkörper versüßten hier Frauen ihren Kaffee. Schon nach kurzer Zeit musste es schließen. Zu wenige Kundinnen. Schade…
Free Walking tour mit Insider-Geschichten ‚to go‘
Dies ist nicht die einzige spannende Geschichte, die unser Guide erzählt. Nun weiß ich, wie Santiago unverhofft zur Hauptstadt Chiles wurde. Und ein Zufall, bzw. wieder eine pfiffige Geschäftsidee, Chile zur Nationalflagge verhalf.
Wir sehen die älteste Kneipe der Stadt. Das Restaurant, in dem einst Clinton aß. Und die deutsche Bierstube. Nebenbei erfahre ich viel über chilenisches Essen und warum Haxe mit Sauerkraut zu den typischen Gerichten Chiles gehört. Im Studentenviertel zeigt der Guide uns die beste Eisdiele und wo es die angesagtesten Cocktails gibt.
Mein Fazit zur free walking tour in Santiago de Chile:
Vier Stunden unterhaltsame Stadtführung, die niemals langweilig wurden: In sehr gutem Englisch zeigt uns unser Guide nicht nur die Sehenswürdigkeiten Santiagos. Ich erfahre viel mehr als ich in jedem Reiseführer nachlesen kann. Ganz nebenbei lerne ich noch nette Leute kennen, mit denen ich den weiteren Tag verbringe. Daumen hoch! Ich kann diese free Walking tour wärmstens empfehlen.
Die Fakten zur Free walking tour in Santiago
- Treffpunkt: Plaza de Armas
- Start: täglich um 10 und 15 Uhr
- Sprachen: Englisch, Spanisch oder Portugiesisch
- Dauer: ca. vier Stunden
- Kosten: gegen Spende
Infos gibt es hier: www.Freetoursantiago.cl
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