In der Abendsonne liegt der kleine See Téngréla vor uns. Versteckt hinter Schilf und Gräsern. Begraben unter unzähligen Seerosen, die im fahlen Licht der untergehenden Sonne ihre Blüten schließen. Still betrachte ich die glatte Wasseroberfläche. Sie lässt nicht erahnen, dass im Lac Téngréla unweit von Banfora unzählige Flusspferde leben.
Idylle im Rundhütten-Camp
Wir beziehen quartier in einer der einfachen Rundhütten nach traditionellem Vorbild im Campement „Le Rencard“ direkt am See. Einziges Möbel in der Hütte ist das Bett mit Moskitonetz.
Um uns herum tragen Frauen auf dem Feld die Ernte zusammen. In großen Kanistern schöpfen sie Wasser aus dem See. Zwei Jungs treiben eine Handvoll Kühe an uns vorbei. Eine Schafherde zieht laut blökend zwischen unseren Hütten hindurch. Nebenan grillt der Fisch für unser Abendessen auf dem Feuer.
Früh gehen wir zu Bett, denn morgen geht es zeitig auf den See. In der Nacht wache ich mehrmals auf. Mal ist es eine Eule, die aus dem Mangobaum neben unserer Hütte ruft. Verbreitet ist hier der Glaube, dass sich Hexen in dieser Form fortbewegen, bevor sie am Ziel wieder ihre eigentliche Gestalt annehmen. Mal sind es Tierlaute, die ich nicht näher zuordnen kann.
Etwas unheimlich ist es schon, sind wir doch die einzigen Gäste im Camp. Der Morgen graut schon fast als ich nicht weit das eindeutige Grunzen der Nilpferde höre. In der Nacht sind sie zum Fressen an Land gegangen.
Magische Ruhe auf dem Lac Téngréla bei Banfora
Um sechs Uhr stechen wir in See. Mit einem kleinen hölzernen Kahn. Die Sonne ist gerade aufgegangen und taucht die Landschaft in ein mystisches, goldenes Licht. Keine Welle kräuselt das Wasser. Auf der glatten Oberfläche spiegeln sich majestätisch die weiß-gelben Blüten der Seerosen.
Einige Fischer werfen ihre Netze aus. Wasservögel staksen über die Blätter der Seerosen und fliegen auf, wenn wir uns nähern. Allein das leichte Plätschern beim Einstechen des Ruders unterbricht die Stille. Eine unheimlich beruhigende Atmosphäre. Besser als jede Meditation. Eine magische Ruhe bereitet sich um uns, und in mir, aus.
Vor Kurzem sind die Hippos von ihrer nächtlichen Fresstour an Land ins Wasser zurück gekehrt. Kein Zeichen deutet mehr auf sie hin. Kaum zu glauben, dass hier mehrere Kilo schwere Nilpferde unter dem glatten Wasserspiegel verborgen sind. Wie viele es genau sind, kann auch unser Guide nicht sagen.
Flusspferd in Sicht
Unser Guide paddelt uns in dem kleinen Boot einmal quer über den See. Als wir uns dem anderen Ufer nähern, zeigt er auf das Wasser in der Ferne. Ich sehe nichts. Beim zweiten Hinweis entdecke ich eine Spur auf der Wasseroberfläche. Unter dieser bewegt sich das Nilpferd. Ohne aufzutauchen. Gespannt richte ich meine Kamera aus. Beim nächsten Luftschnappen soll es meiner Linse nicht entwischen.
Und dann taucht etwas auf. Mit dem Blick durch mein Teleobjektiv der Kamera kann ich klar den Kopf des Flusspferdes erkennen. Die winzig-kleinen Ohren. Die seitlich sitzenden Augen inspizieren mich förmlich. Die riesige Nase mit dem breiten Maul zeigt direkt auf uns zu. Der starke Nacken ist gerade noch über der Wasseroberfläche zu sehen. Ein Männchen, das stolze drei Tonnen wiegt, so unser Guide. Er kennt es von klein auf, als sein Vater es ihm das erste Mal zeigte. Erkennungszeichen ist die kleine Kerbe im Ohr. Die ich erst sehr viel später, beim Zoomen auf meinen Fotos erkenne.
Flucht ins Dickicht
Der Nilpferdbulle bewegt sich auf uns zu. Oder täusche ich mich? Unser Guide rudert etwas zurück. Der Abstand zum Nilpferd bleibt jedoch unverändert. Nach einigen gelungen Fotos, brechen wir vorsichtshalber zum Rückweg auf. Die so gemächlich erscheinenden Hippos gehören zu den gefährlichsten Tieren der Welt und sind für mehr Todesopfer verantwortlich als jede andere Großtierart auf dem Kontinent, lese ich später nach.
„Auf dem Lac Téngréla gab es noch keinen gefährlichen Vorfall“, versucht unser Guide uns zu beruhigen. Die Nilpferde in diesem See seien heilig und greifen Menschen nicht an. Gleichzeitig paddelt er nun etwas schneller, um an unserem Gegenüber rechts vorbeizuziehen.
Doch das Nilpferd bewegt sich parallel zu uns. Und schneidet uns damit den Weg aus der Bucht ab. An ihm vorbei geht es nicht mehr. Bei jedem Auftauchen scheint es uns genau zu beobachten. Vor dem nächsten Abtauchen schnaubt es auf. „Er ist unzufrieden“, meint unser Guide nur und paddelt noch ein wenig hin und her, scheint aber keine größere Gefahr zu sehen. Neben uns wirft ein Fischer unbeeindruckt sein Netz in den See.
Wir dagegen werden in dem kleinen Holzkahn immer nervöser. Drängen darauf, die Bucht zu verlassen. Der Nilpferdbulle kommt nun direkt auf uns zu. Unsere letzte Chance zur Flucht ist die mit Wasserpflanzen dicht bewachsene Seepartie. Das Vorankommen ist beschwerlich und verlangsamt unsere Fahrt zunehmend. „Bis zu 40 Stundenkilometer schnell können sich die behäbigen Tiere im Wasser bewegen“, erklärt der Guide gerade, während ich versuche unsere Geschwindigkeit abzuschätzen…
Dass uns das Flusspferd hierhin nicht verfolgen wird, da es sich beim Auftauchen in den Pflanzen verheddere, glaube ich unserem Guide erst, als ich beim Blick zurück eine kaum sichtbare Wasserspur ausmache, die sich von uns wegzieht.
Mit weichen Knien wieder sicher an Land
Puh, wir atmen durch. Während uns der Guide von ganz anderen Begegnungen erzählt. Im Notfall helfe immer ein Schlag mit dem Ruder auf den Nilpferdkopf. Gut, dass uns der Bulle so nah nicht gekommen ist, denke ich. Und auch gut, dass es kein Weibchen mit einem Jungen war. Diese agieren deutlich aggressiver, kommentiert unser Guide trocken.
Für mich reicht diese Nilpferd-Begegnung. Ein weiteres Mal werde ich nicht darauf beharren, auf der Suche nach Hippos eine Bootstour zu unternehmen.
Mit noch etwas weichen Knien gehen wir an Land und brechen zur Weiterfahrt zu den Pics von Sindou auf.
Informationen zur Nilpferd-Tour auf dem Lac Téngréla
Eintritt: 1.000 FCFA am Ticketschalter an der Zufahrtsstraße bei der Organisation ONTB
Guide: Trinkgeld ca. 1.500 FCFA. Guide entweder bei der Unterkunft oder beim Kauf des Tickets anfragen. Tour ca. 1 Stunde. Die Guides kennen den Sicherheitsabstand zu den Nilpferden, der einzuhalten ist. (Anscheinend habe ich ein etwas anderes Sicherheitsbedürfnis.)
Unterkunft und Essen: Mehrere einfache Rundhütten-Camps und Bars befinden sich entlang des Sees
Nilpferd-Tour: Es ist nicht garantiert, Nilpferde im See zu sehen. Gerade in der Regenzeit; in der Trockenzeit (Dezember bis Mai) ist die Nilpferd-Sichtung wahrscheinlicher. Größte Chance, bei Sonnenuntergang oder kurz nach Sonnenaufgang; in der Regenzeit ist besonders der Morgen gegen 6 Uhr zu empfehlen.
Anfahrt:
Der See ist von Banfora aus in etwa 15 Minuten zu erreichen. Letztes Stück zum See auf Piste, die gut auch ohne 4×4 befahrbar ist.
Nach Sindou etwa 30 Minuten auf guter Teerstraße.
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Stefanie Zimmermann
19. Januar 2019Hallo Britta,
das war ja eine spannende Begegnung mit dem Nilpferdbullen!
Ich kann verstehen, dass Dir da mulmig wurde, ich bin selbst auch entspannter auf Bootstouren, wo man einen kleinen Außenbordmotor hat! Da ist man einfach schneller weg, wenn man ein Nilpferd verärgert.
Aber andererseits ist es natürlich sehr entschleunigt und leise, sich ohne Motor fortzubewegen und euer Guide schien die Situation ja im Griff zu haben….
Liebe Grüße,
Stefanie
Britta
19. Januar 2019Hallo Stefanie, ja in der Tat ist noch nie etwas passiert und die Guides können die Situation sehr gut einschätzen. Auch wenn ich im Moment selbst vor Ort etwas Bammel hatte, als das Nilpferd uns verfolgte…
Liebe Grüße aus Togo, Britta