Mein Kopf wandert von rechts nach links. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich lieber durch die Stämme der majestätischen Palmen hindurch aufs Meer hinaus, oder auf die mit Mangroven bewachsenen Lagunen auf der anderen Seite schauen möchte. Eine wundervolle Landschaft und ein einzigartiger Lebensraum zwischen Salz- und Süßwasser.
Wir ruckeln über den kleinen Sandweg ganz im Süden von Benin. Nur ein kleiner Streifen Land mit einfachen Hütten im Sand liegt zwischen den Wasserflächen. Rechts sitzen Fischer vor ihren Netzen, links trocknen Fächer aus Schilf in der Sonne.
Mangroven am Mono-Delta – ein einzigartiges Ökosystem
Etwas skeptisch betrachte ich das kleine Einbaum am Ufer der Lagune vor Ouidah. Kompakt aus einem Stück gehauen kann sicherlich kein Wasser eintreten. Ganz ohne Kiel und irgendwie derb, erscheint es mir für die Seefahrt jedoch eher ungünstig.
Vorsichtig klettere ich hinein und nehme auf dem kleinen, für uns Touristen bereit gestellten, Hocker Platz. Zu dritt hocken wir in dem Boot, hinter uns der Steuermann, der uns mit sicheren Zügen durch das flacher Wasser stakst.
Im Süden Benins, wo der Fluss Mono sich ins Meer ergießt, erschafft er ein einzigartiges Ökosystem zwischen Lagunen, Flussarmen und Meer. Zwischen Salz-, Brach- und Süßwasser.
Langsam gleiten wir in unserem Einbaum durch das seit 2017 als UNESCO-Biosphärenreservat ausgewiesene Gebiet. In den Wurzeln der Mangroven am Rand der Lagunen siedeln unzählige Fische, Krebse und andere Lebewesen. In den Kronen leben und nisten Vögel, die im Sommer teilweise bis nach Europa ziehen.
Die Bevölkerung nutzt das Holz, z.B. um Körbe zu flechten, zum Heizen der Feuerstellen oder auch als traditionelle Medizin. Nur die „Heiligen Wälder“ sind dem Zugriff und weitestgehend auch dem Zugang seit Jahrzehnten entzogen. Deutlich zeichnen sie sich ab: Weit höher als die übrigen Mangroven erheben sich die geschützten Wälder über den Wasserspiegel und lassen ihre langen, roten Wurzeln ins Wasser hängen.
Inselleben in kleinen Lagunen
Inzwischen habe ich mich an die Fahrt in dem Einbaum gewöhnt. Solange ich mich nicht zu sehr bewege, ist es gar nicht so kippelig wie angenommen. An uns vorbei schippern die Inselbewohner, selbstverständlich im Kanu stehend, zum Fischfang, zur Arbeit am Festland oder nach Hause zur Vorbereitung des Osterfestes.
Auf den kleinen Inseln leben rund 4.000 Menschen. Anders als in Ganvié sind ihre Häuser nicht auf Stelzen, sondern auf festem Land erbaut. Die einfachen Gebäude ragen bis an die Wasserkante vor. Etwas abseits auf kleinen Inseln thronen die Toilettenhäuschen – von einer Hilfsorganisation erst vor kurzem errichtet. Ansonsten landen die Hinterlassenschaften direkt im Wasser. Unter dem Loch im Boden, das als Abort dient.
Wir umrunden die nächste Insel und beobachten eine Schaar Kinder, die aufgeregt durch das seichte Gewässer läuft. Sie wollen an dem Spektakel auf dem nächsten Eiland anlässlich des Karfreitags teilhaben. Hier bereiten sich die Bewohner auf das bevorstehende Osterfest vor und kündigen die anstehenden Feiern an. Lautstark machen sie mit Trommeln auf sich aufmerksam. Bunt gewandete Gestalten mit Masken tanzen wild um sie herum.
Zurück am Festland erwartet uns am Ufer bereits eine weitere feiernde Menge. Wir folgen den Blicken und entdecken eine Handvoll Menschen, hüfttief im Wasser stehend. Sie erhalten in der Lagune unter dem Beifall der Umstehenden ihre Taufe.
Salz aus Sand bei Ouidah
Zu Fuß geht es weiter: Auf unserem Weg entlang der Lagune fallen mir die unzähligen Körbe, voll beladen mit Sand auf. Sie sind bunt verteilt zwischen einem Dutzend kleiner aus Palmblättern errichteten, simplen Hütten. Davor lagern große Haufen von Holz.
In den einfachen Hütten lebt niemand. Sie sind einzig und allein Arbeitsstätte – für die Frauen der Inseldörfer. Zwei von ihnen zeigen uns ihre Arbeit: Sie gewinnen Salz aus dem vom Brachwasser abgelagerten Sand. Zunächst in große Körbe gehäuft, dann mit dem weniger salzhaltigen Wasser herausgelöst. Anschließend geht es weiter in die kleinen Hütten.
Drückende Hitze schlägt uns beim Eintreten entgegen. Es ist nebelig und am liebsten möchte ich rückwärts gleich wieder hinaus stolpern. Aber die Neugier hält mich. Auf einer großen Feuerstelle kocht das Wasser in riesigen Wannen, bis die Flüssigkeit verdampft ist und nur noch das reine Salz übrig bleibt.
Bedrohte Schildkröten am Mono-Delta
Nahe von Grand Popo folgen wir der Sandpiste am Strand. Und wundern uns über die Schilder mit aufgemalten Schildkröten. Zwischen November und März legen sie hier am Strand ihre Eier, erklärt unser Guide. Nur knapp haben wir diese Zeit verpasst.
Doch freudig und engagiert erzählt uns ein Freiwilliger in einer kleinen Schutzstation mehr über die bedrohten Tiere. Die Mitarbeiter – alle ehrenamtlich – sammeln die Eier und platzieren sie in einem geschützten Bereich, pflegen verletzte Tiere, veranstalten Tage der offenen Tür, leisten Aufklärungsarbeit. An Fischer, deren Netze Schildkröten zerstörten, zahlen sie einen Notgroschen als Hilfe zum Flicken der Netze – sofern die Fischer die Tiere lebend zu ihnen bringen und sie nicht töten. Eine bewundernswerte Arbeit, die auch wir mit einem kleinen Betrag unterstützen.
Entspannen am Strand in Grand Popo
Nach so vielen Informationen, steht nun Entspannen für uns an. Von Grand Popo bis nach Cotonou reihen sich kleine Herbergen, Hotels und Restaurants entlang der Küste. Ausgedehnte Strandspaziergänge, abhängen unter Sonnenschirmen, Muscheln sammeln und mit den Füssen in den brausenden Wellen baden – Das ist Urlaubsfeeling pur!
Infos zur Reise ins Mono-Delta in Benin:
Mein Lieblingsplatz bei Grand Popo: Zum Abhängen an der Lagune kannst du dem Mono von der Mündung aus folgen – nach einigen Hundert Metern gelangst du an diesen traumhaften Ort zum Picknick oder Abhängen mit Hängematten, Tischen und Bänken im Sand unter Palmen. Häufig wird er im Rahmen von Touren angesteuert.
Hoteltipps am Strand:
Ouidah, Bungalows am Strand des Hotel Djegba
Grand Popo, Auberge de Grand Popo
Mangroven- und Salztouren: Touren auf den Lagunen des Mono-Deltas kannst du in den meisten Hotels buchen, oder auch in der Tourist-Information in Ouidah. Die Tour bei Ouidah hat mir im Vergleich zur Tour in Grand Popo besser gefallen, da hier die Salzgewinnung sehr viel imposanter ist und authentischer wirkt. Zudem wandert ein Teilbetrag der Kosten für die Tour an die dörfliche Bevölkerung der Inseln – an die Frauen, die uns die Salzgewinnung zeigen und an unseren Steuermann. Besser gefallen hat mir ebenso, auch wenn es anfangs etwas wackelig war, die Fahrt im echten Einbaum im Gegensatz zur Fahrt in der Piroque bei Grand Popo.
Reisezeit: Die beste Zeit, um die Salzherstellung zu sehen ist die Trockenzeit (Ende Oktober – April). Zwischen November und März hat man evtl. auch das Glück den Schildkröten zu begegnen. Im Januar finden das jährliche Voudou-Fest und der Tag der offenen Tür der Schildkröten-Initiative in Grand Popo statt.
An- und Weiterreise mit dem Auto:
nach Abomey ca. 2 Stunden
Ouidah – Cotonou ca. 1 Stunde
Grand Popo – Lomé (Togo) ca. 2 Stunden zzgl. Grenzübertritt
Ouidah – Ganvié ca. 30 min.
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