Unsere Street Art Tour durch Buenos Aires startet im Stadtteil Colegiales. Per E-Mail teilt uns der Anbieter Grafittimundo den Treffpunkt mit: Vor dem bemalten Haus, Ecke Conde/Newbery. Ihr werdet es erkennen unter dem Motto „Street Art Buenos Aires“
Stimmt, das Haus sticht auf den ersten Blick heraus. Im Comic-Stil zieren rosa dickbäuchige Wabbelwesen, kleine fliegende blaue Augentiere und schwarz-weiße Vögel auf langen Beinen die rosa getünchte Wand. Dahinter ein wildes Sammelsurium aus Herzen, Zahnrädern und einem Fußball. Ein Seepferdchen mit Gasmaske hebt sich in seiner feinen Zeichenart deutlich davon ab. Ich wundere mich über immer wieder neue Details. Hier fällt das Warten auf den Rest der Truppe und unserer Guidin, Ana, leicht.
Wie aus politischer Propaganda Street Art entstand
Ana entführt uns in die bunte Street Art Szene von Buenos Aires. Sie erzählt uns wie alles mit politischer Propaganda begann. Parteien ließen Wahlparolen an die Wände sprühen. Missstände der Gesellschaft prangerten dagegen die Bewohner der Stadt an. Und machten ihren Unmut an den Häuserwänden kund. Künstler wollten diesem Missmut mit fröhlichen Bildern in den Straßen etwas Positives entgegen setzten.
Heute zaubern Artists von Buenos Aires halb legal, halb illegal wahre Kunstwerke an die Wände. Mal als Auftragsarbeit, mal nicht genehmigt. Aber breit toleriert und bewundert. Ana erzählt uns auch die Geschichten der Künstler dahinter. Und die Geschichten und Besonderheiten der Graffiti selbst.
Street Art Buenos Aires – nicht nur an die Wand gesprüht…
Bald erkenne auch ich die verschiedenen Einschläge der Street Art. Mal aufwändig und teuer gesprüht, mal mit Malerrolle flächig ausgemalt. So wie das orange-gelbe retro-futuristische Motiv ‚Zeppelin whale‘ von Gualicho. Latexfarbe versiegelt es gegen Schmutz.
Andere Graffitis sind mit kleinen Strichen fein säuberlich und detailliert an die Wand gepinselt. Als wären sie im Notizbuch gezeichnet oder gar fotografiert. Beim Blick auf das Kunstwerk ‚Sobre El Mural‘ scheint es, als schaue ich durch eine Fensterscheibe auf filigrane Figuren aus Porzellan.
Mein Lieblingsmotiv ist das Bild eines jungen Mannes, der einem fliegenden Kolibri in die Augen schaut. In Schlieren zerläuft die fein aufgetragene Farbe und spielt mit der groben Textur der Wand. Ein Kunstwerk, wie es jedes Gemälde in einer großen Galerie zieren könnte.
Dieser Maler habe es doch nicht nötig, illegal eine Wand zu bemalen. Er könne internationale Kunst mit gestalten, so ein Teilnehmer. Anlass für Ana aufzuklären: Viele Street Art Künstler wollen keine exklusiven Bilder schaffen, die für viel Geld höchstbietend an ein ausgewähltes Publikum versteigert oder in Museen einem kleinen Kreis zugänglich sind. Sie wollen Kunstwerke in den Alltag bringen. Teils um Botschaften zu übermitteln. Oder um das Leben der Bewohner zu verschönern. Damit entscheiden sie sich bewusst gegen Komerz und für die Kunst in den Straßen Buenos Aires.
Lebendige Street Art Kultur von Buenos Aires
Gerade in ärmeren Stadtteilen überdeckt Street Art den ein oder anderen „Schönheitsfehler“ im Alltag. Oder macht auf diese aufmerksam. Zum Beispiel ein riesiger Drache an der grauen Seitenfassade eines Mietshauses.
Fenster dürfen in die Seiten der Gebäude nicht eingelassen werden. Um Baulücken später einfach mit neuen Häusern füllen zu können. Klein und dunkel sind die Wohnungen dahinter. Manch ein Mieter behilft sich selbst und schlägt illegal kleine Lugen in die Wand.
Parteien übermitteln noch immer ihre politischen Botschaften mit Graffiti. Wenig akzeptiert. Schnell übersprüht die Street Art Szene diese politischen Parolen meist sehr schnell. Die großen Kunstwerke hingegen bestehen deutlich länger. Einen Spielpaltz in einem ärmeren Stadtteil zieren die aufwändigen Graffiti eines internationalen Street Art Festivals noch nach Jahren. Nach und nach setzt ein Prozess der Metamorphose ein: erste Tags und neue Bilder überlagern alte Kunstwerke. Ein neues Gesamtbild entsteht.
Es gehört dazu und wird von einigen Künstlern sogar gewünscht. So besprühte ein Artist selbst sein vor wenigen Tagen gefertigtes Meisterwerk mit Tags. In einer Nacht und Nebel Aktion. Nur so sei das Kunstwerk lebendig und Teil der Street Art Kultur, so seine Aussage laut Insidern.
Kommunikation an Hauswänden
Nachrichten zu übermitteln, war der ursprüngliche Sinn von Street Art. Wie Graffiti noch heute Teil der Kommunikation ist, zeigt Ana uns an einer Herz zerreißenden Geschichte aus dem Alltag. In einem Block taucht immer wieder der Schriftzug ‚Cata te Amo, Papa‘ auf.
Er stammt von einem verzweifelten Vater, dem seine Kinder entzogen und der Kontakt verweigert wurde. Über Sprüche an den Wänden entlang des Schulweges der Kinder versucht er diese zu erreichen. Und seine ungebrochene Liebe zu ihnen zu überbringen. Dass die Botschaft ankam, zeigt die Antwort seiner Tochter. Ebenfalls an die Wand gekritzelt.
Graffiti Tour entführt in die Street Art Szene
Grafittimundo taucht tief in die Street Art Szene ein. Die Touren entwickelt die Agentur in enger Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern. Ziel ist es, Hintergründe, Geschichten und Geschichte der Street Art in Buenos Aires zu vermitteln.
Der Anbieter unterstütz dabei als Non-Profit-Organisation die lokale Szene. So fahren wir im Minivan auch zu zwei kleinen Galerien. Hier erstehen wir manch ein Kunstwerk auf Postkarten, Bildern oder T-Shirts. Denn nur vom Bewundern der Street Art können die Künstler auch nicht leben.
Die Tour durch die Stadtteile Colegiales, Chacarita, Villa Crespo endet in der Post Bar in Palermo. Ein alt eingesessener Artist führt das urige Lokal. Eine kleine Galerie ist angeschlossen. Die Location ist über und über mit Graffiti besprüht. Stencils, Sticker und Comics überdecken alle Wände, die Tische und die komplette Dachterrasse.
Street Art Buenos Aires – mein Fazit zur Graffiti Tour:
Weit mehr als wunderschöne Graffiti bestaunen – Grafittimundo ist so eng mit der Street Art Szene vernetzt, dass auch allerlei Stories in die Touren einfließen. Wir erfahren unfassbar viel über Geschichte und Motivation der Street Art. Per E-Mail schickt Grafittimundo nach der Tour sogar Infos zu den Künstlern an die Teilnehmer. Zum Nachlesen. Und alles für den Erhalt der Street Art Kultur in Buenos Aires!
Hier kannst du deine Tour einfach und spontan buchen.
Dauer: 3 Stunden, Kosten: 30 US$
Tipp für weitere Streetart-Locations in aller Welt:
Entdecke noch mehr tolle Graffitis in den Städten Südamerikas zum Beispiel in Valparaiso und in La Paz.
Besuche den Blog gindeslebens.com – Ines hat zur Blogparade „Die besten Spots für Streetart“ aufgerufen und gemeinsam mit anderen Reisebloggern jede Menge Ideen zusammengetragen. Inklusive feinster Graffit-Bilder!
Kuno
27. November 2016Was für tolle Grafitis! Ein sehr interessanter Artikel, der alle Seiten beleuchtet. Die Tour muss bestimmt sehr spannend gewesen sein. In einem Monat werdeich mir wohl auch das ein oder anderer aus nächster Nähe ansehen 😉